Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Potsdam], 6. September [1881]

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Mein lieber Herzens Ernst!

Herzlich danke ich Dir für Deinen gestern erhaltenen Brief; der mir doch sagt, daß Du bei aller Reisewuth und Arbeit an Deine alte Mutter denkst. Und wenn es mich auch etwas wehmüthig stimmt, die Gewißheit, daß ich Dich vor Deiner Reise nicht sehn kann, so muß ich es doch nur billigen, denn ich möchte nicht, daß Du um her zu kommen Dich abäscherstens oder auch nur Deiner Frau und Kinder einen Tag entziehen möchtest, den sie noch in Ruhe mit Dir verleben könnten; ich wünsche sehnlichst, daß || Du ohne a Hätze mit Deinen Lieben noch in Ruhe zu sammen bist. Bitte: sage Agnes, daß sie mir immer gleich Nachricht giebt von Deinem Ergehen, meine Gedanken werden Dich begleiten und Gottes Schutz erflehen!

Herzlich freue ich mich mit Dir über die Empfehlungen der englischen Regierung, und daß Du bei Deiner Ankunft in Ceylon freundliche Aufnahme findest. Mit dem Creditbrief wird es wohl gehalten eben so, wie damals als Du in Italien warst, daß b in Berlin immer gleich die Schuld gelöschtc wirdd, weil ja dann die Scheine || nicht so hoch sind. Ich bin willens, wenn Du nicht Anders drüber bestimmst, alles Geld, was ich für Dich einnehme, in die Creditbank zur gleichen Erhebung zu legen.

Wenn du über Deine Angelegenheiten noch irgend etwas zu bestimmen hast, so sage es in Zeiten. Deine Pappiere habe ich in einem Documenten Kasten von mir allein aufgehoben, der in meinem großen Leinenwandschrank steht, und ich denke Du wirst alles in Ordnung finden, und für den Fall, daß ich nicht selbst es Dir über-||geben kann, wäre wohl gut, daß Agnes sich ansieht wo alles liegt.

Wenn auch wehmüthig so sehe ich Dich doch ruhig reisen, weiß ich Dich doch sicher in Gottes Hand, der Dich schon so oft behütet hat, wird es auch ferner thun; und was die mögliche Trennung in diesem Leben anbetrifft, so müssen wir bei meinem hohen Alter, es immer erwartten, und da Gott sich ja Zeit und Stunde vorbehalten hat, so ist es ja einerlei ob Du in Jena oder Ceylon bist; wissen wir doch daß wir in Liebe verbunden sind. ||

Hast Du, mein lieber Ernst, das Concept von der an Heinnrich abgegebenen Erklärung Karl mitgegeben, sonst bitte ich Dich schicke es mir durch Agneß, ich habe meine Gründe, warum ich es wünsche in Händen zu haben, ich werde es zu Deinen Papieren legen.

Voraussichtlich wirst Du auf Deiner Reise die Augen sehr anstrengen und da wünsche ich sehr, daß Du Dich, da Du meintest, e daß die Augen abgenommen hätten, daß || Du Dir eine schwache Brille anschafftest; aber ja nicht zu stark, ich fürcht, daß Du darin bei Deiner Lebhaftigkeit leicht zu viel thust. Eben so muß ich Dich dringend bitten, daß Du mit der Schießwaffe vorsichtig sein mögest!

Von Karl sind ja die Nachrichten gut: Trotz Regen erfreut ihn doch der Auffenthalt in Ziegenrückt, über seine Zurückkunft ist noch nichts bekannt; die Kinder sind wohl. ||

Vielleicht hält er es fürf nöthig eine Einladung zum 24sten September g zur Hochtzeit von Clara Petersenh, die gestern hier ankam, zu folgen. Tante Bertha ist seit Freitag wieder in Berlin, hoffentlich sehe ich sie bald hier.

Sei nicht böse, daß ich Dich unterbrochen habe in Deiner Zeichnung der Radiolarien, deren Du scheinst mehr zu zeichnen als Gott geschaffen hat.

Sei mit Frau und Kinder aufs innigste gegrüßt von

Deiner

alten Mutter

Lotte Haeckel.

a gestr.: Sorge; b gestr.: he; c korr. aus: gelöst; d eingef.: wird; e gestr.: Du kann; f korr. aus: vür; g gestr.: mit; h eingef.: Petersen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.09.1881
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36917
ID
36917