Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 15. Februar 1881

Potsdam 15/2 81.

Lieber Ernst!

Gottes reicher Seegen sei mit Dir im neuen Lebensjahr, das Du morgen beginst! –

Wie gerne eilte ich zu Dir um Dir auszusprechen, was mein Herz für Dich bewegt, doch das geht ja nicht, und zu Pappier kann ich es nicht bringen. Hoffentlich seid Ihr, meine Lieben, wieder ganz wohl, und Du verlebst Deinen Geburts-||tag mit Frau und Kinder vergnügt im häuslichen Kreis; und vergißt über dieses Glück ganz die kleinen Nergeleien, die wie mir scheint Dich in der letzten Zeit mehr geärgert und gequält haben als mir für Dich wünschenswerth ist. Ohne Kampf geht ja einmal es in dem unvollkommenen irdischen Leben einmal nicht ab, wenn nicht nach Aussen, finden wir in uns selbst immer genug, was wir || bekämpfen müssen.

Gebe Gott uns nur alle Kraft, daß wir immer den richtigen Kampf mit Muth durchmachen. Wie alles hier Stückwerk ist, so dürffen wir auch nicht murren wenn unser Wissen beschränkt ist. Dein Lebensberuf verlockt Dich immer mehr zu erforschen, und Du bist verwöhnt, daß Du so oft Dich schon über neu Gefundenes Dich hast freuen können. So freue ich mich auch mit Dir, daß Du wieder etwas entdeckt hast. ||

Wie gerne, mein lieber Ernst, ich Dir eine kleine Freude zu Deinem Geburtstag machen möchte, weißt Du, aber ich wußte nicht womit, ich konnte nichts für Dich arbeiten, und kann ja auch Nichts besorgen. Nun solltest Du wenigstens den Ungarwein erhalten, den ich für Dich bestimmt habe; allein bei dem Wetter ist es nicht rathsam zu senden. Sobald es aber angeht, soll es abgehn; sollt icha aber || nicht dazu kommen, so nimmst Du für Dich die 38 Flaschen Ungarnwein und 2 Flaschen Rum, die besonders in einer Kiste imb Keller liegen. –

Kein äusseres Zeichen sagt Dir morgen wie Deine alte Mutter mit inniger Liebe Deiner gedenkt, doch das weißt Du: hoffentlich höre ich auch bald, daß es Dir und Agnes wieder gut geht. Hier leiden auch alle mehr oder weniger an Schnupfen etc. ||

Noch wollte ich Dir über das anzulegende Kapital schreiben, doch darüber hat ja Karl Dir berichtet: ich bin nur froh, daß aus dem in Belzig nichts geworden ist; wozu ich nicht viel Vertrauen hatte.–

Grüsse Deine liebe Frau und die Kinder herzlich von mir. Sobald ich kann halte ich schriftlich ein kleines Plauderstündchen mit Deiner Agnes; lieber wäre es mir es könnte mündlich sein.

Gottes Seegen sei mit Dir und den Deinen, das wünscht Deine alte Mutter

Lotte.

a gestr.: es; eingef.: ich; b gestr.: mit; eingef.: im

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36902
ID
36902