Haeckel, Charlotte; Haeckel, Heinrich

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 20. August 1880, mit Beischrift von Heinrich Haeckel

Potsdam 20/8 80.

Lieber Ernst!

Dank für Deinen lieben Brief, den ich mit so großer Sehnsucht erwarttet habe, da ich recht in Sorge war ob Ihr, Lieben, auch gesund wärt. Nun sagst Du mir ja zu meiner a großen Freude, daß Ihr wohl seid. Gerne hätte ich Dir gleich gemeldet, daß ich den Brief empfangen, aber ich konnte nicht gleich schreiben, und fürchte nun mein Brief wird Euch nicht mehr in Constanz treffen, daher werde ich ihn nach Luzern schicken. Zu erst also das geschäftliche: nach reiflicher Ueberlegung mit Karl und Tan-||te Bertha habe ich b die 3000 Mark hier gestern in die Creditbank gelegt, damit es gleich zu verwenden ist wenn es etwa mit dem Gelde im October angelegt werden soll. Karl wird sich darnach umsehn ob dann etwa eine gute Hypothek zu belegen ist. Ich ziehe jetzt besonders eine Hypothek vorc, da die sichern einheimische Papiere sehr hoch stehen, und jetzt so viel einer mit Verlosung und Umschreibung etc vorkommt. Doch das können wir ja später besprechen, für’s erste liegt das Geld ruhig in die Creditbank. ||

Nun muß ich meine Grüsse an meine lieben Jenenser Kinder wieder so weit schicken, doch freue ich mich auch, daß Ihr Beide so viel Schönes zusammen geniessen werdet. Gott beschütze Euch und lasse Euch wohlbehalten heimkehren, und behüte Euere Kinder. Bitte schreibe mir doch im nächsten Briefe: ob bei Euerer Abreise Walter wieder ganz wohl war? – –

Dann seid auf Eueren Wanderungen vorsichtig, das muß ich Dir mein lieber Ernst, besonders ans Herz legen: wage nicht so viel, es || sind in diesem Sommer in der Schweiz so viele Unglücksfälle vorgekommen, daß man doppelte Vorsichtig beobachten muß. Also geniesset Gottes schöne Natur ungetrübt; und laß es Dir auch eine schöne Erholung sein, daß Ihr dann auch später Euch noch in der Erinnerung der Reise erfreuen könnt.

Seit Montag ist bei Karl wieder Alles zu Hause, auch Heinnrich ist hier, der jetzt in meiner Lugierstube schläft, da unten Einquartierung ist, und der Leutenant in Heinnrichsstube schläft. ||

Karl ist heute nach Berlin, weil er Heinnrich sprechen muß. – Die Kinder sind jetzt wohl, auch Siegfried fängt an, sich zu erholen, der ist wohl in der letzten Zeit in Heringsdorf recht krank gewesen, ich erschrak wie ich ihn so elend wiedersah, jetzt haben wir seit gestern schönes Wetter, welches Euch hoffentlich auch auf der Reise begleiten wird; da wird sich mein kleiner Liebling auch wohl erholen. Ich bin gesund, wie man es nur in so hohen Jahren || erwartten kann, aber mein Herz ist voll Sorge um meine liebe Bertha, als sie hier ankam, freut ich mich, so sehr ihr Aussehn schien mir viel besser, aber leider zeigt es sich bald, daß es täuschte, sie ist 14 Tage bei mir gewesen, aber ihr Befinden macht mir große Sorge. Gestern Abend ist sie nach Berlin zurück gekehrt. So habe ich in diesem Sommer kein Glück mit meinen Besuchen; auf die ich mich doch so lange gefreut || habe; Ihr Lieben wart ja auch nur wenige Tage hier; und doch bin ich dankbar, daß ich Euch hier gehabt habe. So kurz es auch war, so ist es mir doch lieb, daß ich Agnes mal wiedergesehn habe; und wir uns aussprechen konnten. – – Euch Beiden noch Herzensgruß von Euerer

alten Mutter Lotte ||

[Beischrift von Heinrich Haeckel]

Potsdam, den 20. VIII. 80.

Lieber Onkel!

Nach heißem Semester in Strassburg bin ich seit 8 Tagen in den Hafen häuslicher Behaglichkeit eingelaufen. Die Fahrt von Strassburg hierher war von einigen gelungenen Abstechern begleitet: Wildbad, Maulbronn (herrliches Koster in lieblichster Lage. Wenn Du zurückkommst, solltest Du es doch nicht versäumen von Bruchsal aus es zu besuchen. Es liegt auf der Linie Bruchsal – Stuttgart) Heidelberg, Wiesbaden, Limburg a/d Lahn mit seinem prächtigen, äußert malerisch gelegenen Dom (er liegt auf schroffe Fels, der steil aus den Fluthen emporsteigt) Balduinstein, Nassau und schließlich Weilburg. Die Freude am Sehen erweckte mir d Lust zum Zeichnen; und so versuchte ich, ein wenig nach der Natur zu skizziren. Wenn es auch noch so unvollkommenes Zeug wurde (bes. steht es mit der infamen Perspective sehr faul) so macht doch das Schaffen selbst großen Spaß. Hier suche ich, nachdem ich Vormittags Lungenkrankheiten studirt, Nachmittags dem Baumschlag e auf den || Damm zu bringen.

Ich muß viel an euch denken; denn zu Pfingsten war ich auf sehr fideler Spritze in Constanz, Mainau und Reichenau (auf letzterer sind sehr interessante goldene Meßgeräthe, Kelche, Heiligenschreine, Gewänder etc. aus dem 9. u. 10. Jahrhundert) das Wasser ist schließlich doch das einzige Schöne in der Landschaft; ich wenigstens gebe Berg und Wald gern dafür her.

Gutes Wetter, glückliche Fahrt wünscht Dir mit vielen Grüßen an Tante Agnes und Prof. Gegenbaur

Dein treuer Heinrich.

a gestr.: G; b gestr.: das; c korr. aus: der; d gestr.: die; e gestr.: zu

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
20.08.1880
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36881
ID
36881