Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 6. Dezember 1878 – 13. Februar 1879

Potsdam 6/12 78.

Mein lieber Ernst!

Deine alte Mutter ist jetzt oft so vergeßlich, besonders beim Schreiben, so habe ich mir vorgenommen, wenn mir grade was einfällt, von dem ich annehme, das es Dich interessieren wird es gleich aufzuschreiben, so erinnerte ich mich, daß Luise Lachmann mir geschrieben, Hein aus Danzig sei bei ihr gewesen. Es ginge ihm gut, auch hatte er gesagt das kränkliche Kind von ihm wäre so weit, daß es die Schule besuchen könne.||

13/2

Aus vorstehenden Zeilen siehst Du, daß ich längst angefangen, Dir zu schreiben, aber nicht dazu kam. Nun will ich heute versuchen, da ich doch gerne Dir meinen Glückwunsch wenigstens schriftlich bringen möchte, da ich es wie ich wohl wünschte, mündlich nicht kann Gottes Seegen sei mit Dir im neuen Lebensjahr, mein lieber, lieber Herzens Ernst! Vor allem erhalte Dich gesund, und mögest Du wie bisher, immer mit Befriedigung Deines Berufs leben; und Dein häusliches Glück gedeihen. Dir und Deiner lieben Frau wünsche || ich viel Freude an den Kindern. Unser irdisches Leben ist ja einmal so unvollkommen, daß wir uns auch gewöhnen müssen, kleine Unebenheiten mit Ergebung zu tragen. –

Diesmal fällt Dein Geburtstag auf einen Sonntag, darüber werden sich Walter und Lisbet freuen, daß sie den Tag mit Dir zusammen sein können. Hoffentlich erlebst Du den Tag diesmal recht heiter mit Frau und Kinder. In Gedanken wird Deine alte Mutter mit und bei Euch sein; wie gerne wäre ich es in Wirklichkeit; nun das kann nicht sein.||

Wenn ich so lange noch lebe, so machst Du mir hoffentlich im Sommer die Freude und kommst mit Frau und Kinder zu mir, aber richte es dann nur so ein, daß Ihr so lange bei mir seid, als Ihr könnt, Deinen Kindern werde ich ja ganz fremd; und klein Emma habe ich so lange nicht gesehn, daß ich sie gar nicht kennen werde.

Du hast dem Ernst hier eine große Freude gemacht durch die Lupe, und ich danke Dir dafür; im Ganzen finde ich, geht es mit dem Jungen besser; freilich ist man unwillkürlich immer etwas zaghaft. ||

In den letzten Tagen kam ich durch einen lieben Besuch nicht zum Schreiben: vorgestern Abend überraschte mich Bertha, auch kam Karl mit seiner Anna nach dem Abendbrod und freuten sich Bertha zu sehn. Gestern früh ging ich mit Bertha zur Kirche, das erstemal daß ich in diesem Jahre zur Kirche war; wir hörten eine sehr schöne Predigt von Ritter. Zu Mittag waren wir bei Karl. Bertha und ich blieben bis 6 Uhr dort. Abends war Karl mit Anna in einem Sinfoniconzert, Marie || war mit den vier Brüdern bei uns zum Thee. Ehe Bertha heute früh nach Berlin fuhr, erhielt ich Deinen Brief, so daß sie die für sie bestimmten mitnehmen konnte. Uebrigens war die Adresse von Euch ganz richtig geschrieben: Berlin S.W. Großbeerenstraße Nummer 24.

Daß Du einen Dir angenehmen Besuch hattest, freut mich, da ich weiß mit welchem Interesse Du bei Deiner Arbeit bist; aber ich bitte Dich dringend || übertreibe es nicht, Du schadest Deiner Gesundheit, und kommst wieder ganz herunter. – Du schreibst: bei uns geht es wieder gut. Das freut mich, aber wer ist denn krank von Euch gewesen? Du etwa? Ihr müßt mir nichts verheimlichen, kann ich auch nicht bei Euch sein, so bin ich es doch immer in Gedanken, und muß wissen was Ihr treibt. –

Bertha hatte auch einen Brief aus Amerika mit hier von Hedwig, Anna, Hermann und Klasen.||

Hat denn Dein Litograph auch Genade bei dem englischen Naturforscher gefunden?? und war derselbe mit in der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft?

Grüsse Deine liebe Frau und die Kinder herzlich von mir; Agnes bitte ich nochmals mir den Rock zu schicken, wenn sie einen längeren wünscht. Gott behüte Dich und dein Haus.

Behalte lieb

Deine

Dich innig liebende

Mutter Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.02.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36833
ID
36833