Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 13. Oktober 1881

Potsdam 13/10 81.

Mein lieber Ernst!

Herzlich danke ich Dir für Deinen lieben Brief, der mich in so weit beruhigt, daß Du vorläufig Deine Reise aufgeschoben hast, denn ich kann nicht leugnen, daß die Coleraberichte mich beunruhigt haben.a Wenn es Dir auch unangenehm ist, umsonst alle Vorbereitungen gemacht zu haben, so bin ich doch dankbar, daß Du noch nicht abgereist warst, als die böse Nachricht kam; ||

Mitwoch.

Gestern wurde mein Schreiben unterbrochen durch einen Besuch von Lina Siebert, die auch den Abend blieb, und mit mir, Anna und Marie einen Robert spielte, so bin ich ganz aus dem Teckst gekommen und mein alter Kopf taugt nicht zum Briefschreiben. Nur eins weiß ich noch, daß ich Dich dringend bitte: die Reise ja nicht zu unternehmen, wenn nicht die Nachrichten die Du von dort erhälst, ganz zuver-||lässig sind; sonst ist es ja besser: Du giebst die ganze Reise auf, lieber die Unruh und den Aufwand, den die Vorbereitungen gebracht, umsonst, als die Gesundheit in Gefahr, denke an Frau und Kinder, die sind Dir doch mehr als alle Medusen und sonstiges Getier; das die entfernten Meereb bewohnt; mir ist es immer als wenn Ihr Naturforscher, darin unersättlich seid; je mehr Ihr findet und entdeckt, um so mehr verlangt Ihr immer nach Neuem. ||

Dir und Deiner lieben Frau sage ich nebst Gruß herzlichen Dank für die Rebhühner, Ihr verwöhnt aber die alte Frau. Sonntag waren mit Tante Bertha auch Karls Kinder zu Mittag hier: Bertha ist sehr befriedigt von ihrer Thüringerc Reise; Karl, der Montag erst zurück kam auch, nur hat er wieder das vatale Ziehen im Bein, wohl Folge des schlechten Wetters; er wird noch ein Briefchen an Dich mit einlegen, er ist aber jetzt sehr beschäftigt: Sonntag wird || er bei Liskos die Verlobung eines Sohns mitfeiern, und zum 25 mit Anna zur Hochzeit von Clara Petersen reisen. –

Sage Agnes, daß ich viel in Gedanken bei ihr bin, sie wird eben so gespannt, wie ich sein, was nun noch aus unserem lieben Ernst werden wird; ich bitte Dich noch dringend: sei recht vorsichtigt, und so bald Du Gewißheit hast: bitte dann laß es mir wissen; meine Seele ist doch immer bei Euch. Solltest Du doch noch reisen, dann || bestimmst Du doch, daß die Wechsel, die Du ausstellst durch Karl eingelöst werden; ich werde jetzt alles, was ich für Dich einnehme, in die Creditbank zur sofortigen Erhebung legen; damit immer gleich Geld flot gemacht werden kann. – Wird ausd Deiner Reise nichts dann wirst Du wohl bestimmen ob nach dem ersten October das für eingenommene Geld soll auf Hypotek gelegt werden oder Pappier eingekauft. –

Seid alle zusammen herzlich gegrüßt von Deiner

alten Mutter.

a korr. aus: ; b korr. aus: Mehre; c gestr.: Sommer; eingef.: Thüringer; d korr. aus: Wirst Du

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.10.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36804
ID
36804