Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 28./29. März 1878

Potsdam 28/3 78.

Lieber Herzens Sohn!

Wenn ich Dir zwar eigentlich nichts Besonders zu schreiben habe, so kann ich es mir doch nicht versagen, Dich mit ein paar Worten in Venedig zu begrüssen, wo Du hoffentlich wohl angekommen bist. Von Herzen wünsche ich Dir Glück, daß Du nun den angreiffenden Theil Deiner Reise hinter Dir hast. Mögest Du Dich nun bald davon erholen, und mit frischen Kräften an Deine lieblings Beschäftigungen gehn. Hoffentlich schreibst Du uns recht bald, wie Du Dich befindest; aber sage || es mir auch ganz wahr, Du weißt, daß ich das Täuschen und Verheimlichen nicht leiden kann. – Solltest Du Dich nicht wohl befinden, dann bitte ich Dich dringend: gieb die Reise auf, und kehre heim, und laß Dich pflegen von Deiner Frau oder von Deiner alten Mutter. – 29/3

Als ich gestern Abend eben angefangen zu schreiben, besuchte mich Heinrich, der Dich herzlich grüssen läßt; ich kann Dir also noch heute einen guten Morgen wünschen. Vorgestern bekam ich von Agneß Deinen Brief aus Wien geschickt, wobei sie mir || auch schrieb, a es ging ihnen in Jena gut, darüber freute ich mich sehr, da nach der letzten Nachricht, die Kinder nicht wohl waren.

Vorgestern erhielt ich auch aus Frankfurt am Main für Dich vom Kaufmännischen Verein 150 Mark, worüber ich Quittung hingeschickt habe, und den Betrag in unsere Berechnung in Einnahme gestellt. –

Dann bekam ich vorgestern Abend unter Kreuzband aus Wien ein dickes Packet, enthaltend 5 Zeitungen, worin über Deinen ersten Vortrag bei der Conkordia berichtet war, der Kreuzband war so, wie Du es thust, gemacht, aber || die Adresse schien mir von fremder Hand. Ich habe nun Agnes geschrieben, ob sie wünscht, daß ich ihr die Zeitungen schicken soll, sonst hebe ich sie für Dich auf, so wie ich es auch mit den Ausschnitten aus der Cöllnischen Zeitung thue. –

Von Bertha bekam ich auch eine Karte, worin sie mir sagt, daß sie Briefe aus Amerika bekommen, mit der Nachricht, daß Herrmann Bleek Vater eines gesunden Knaben geworden sei. – – ||

2) Als ich eben die Adresse an Dich schreiben wollte kam Karl, der Dich herzlich grüssen läßt, so eilig er auch war schrieb er doch noch die Adresse, ich hätte freilich Venedig geschrieben, nun wenn nur mein Gruß in Deine Hand kommt, dann ist ja auch Venezia gut.

Bei Karl ist alles gesund; und wenn Du von Deiner Alten hören willst; die kräpelt so langsam vorwärts, die Kräfte darf man ja im Alter nicht zu sehr erwartten, ob und wann ich werde ausgehn könne, müssen || wir abwartten, doch gehe ich jetzt in der Stube ohne Stock. – auch ein großer Fortschritt. Nun, leb wohl, mein Herzens Sohn, Gott behüte Dich, und bringe Dich glücklich heim. –

Behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte Häckel.

a gestr.: sie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.03.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36773
ID
36773