Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 15. September 1875

Potsdam 15/9a 75.

Lieber Ernst!

Eine große Freude hat mir Dein lieber Brief gemacht, woraus ich sehe, daß es Dir bis jetzt auf Deiner Reise nach Wunsch gegangen ist. Gott behüte Dich ferner! ich bitte Dich aber nochmals dringend: unternimm nur keine verwägnen Touren; Du bist mir immer noch nicht vorsichtig geworden. Die schöne Natur, in der Du jetzt lebst, bietet Dir ja hohen Genuß, daß es nicht nöthig ist so verwegene Sachen zu unternehmen. Sorge nur daß Du gesund und erfrischt heimkehrst. Sehr erfreut mich die Aussicht, die Du || mir machst, daß Du hier mit Agnes zusammentreffen willst. Hoffentlich wird es auch ausgeführt.

Den Reisebericht habe ich gleich vorgestern nach Empfang an Agnes geschickt; und ihr gestern geschrieben da ich vorgestern mit Absenden nicht wartten wollte. Sonntag hatte ich von Agnes Nachricht, darnach ging es ja gut, auch bekam ich dabei einen Brief von Walter, worüber ich mich sehr gefreut ich habe daher auch gestern meine Danksagung an den Schüler Walter Haeckel abgeschickt. – ||

Vorgestern bekam ich zugleich mit Deinem Brief auch eine Kartte von Hedwig und Anna Bleek aus Liverpul. Bis dahin war es ihnen sehr gut gegangen und sie hatten vor Abgang des Schiffes nach Amerika mir, Tante Bertha und meinen Kindern und Enkeln einen Gruß geschickt, den ich Dir hiermit übersende: Tante Bertha hat am vorigen Freitag ihren Wohnungswechsel überstanden, ich denke, wenn nichts dazwischen kommt sie morgen zu begrüssen, ich will in Berlin nöthige Geschäfte bei Herrn Joachim abmachen. – ||

Ende dieser Woche denkt Karl mit Clara nach Frankfurt zu gehn, wohin sich die Setheschen Kinder begeben, und die Vertheilung des Nachlaß von Mutter Minchen vornehmen werden. –

Clara und auch Ernst sind wieder gesund, doch noch angegriffen. – Sonntag und Montag, wo Karl und Clara in Frankfurt sind werden die Kinder bei mir Essen. – Clara hat in der letzten Zeit viel Sorge gehabt: ihr Onkel Müller war lebensgefählich erkrankt, jetzt auf der Besserung erholt er sich nur langsam, doch kann er Stunden weis das Bett verlassen. || Auch ihr Schwager, der Pastor Bösche in Boppard ist schwer erkrankt.

Du siehst mein lieber Ernst, daß Deine alte Mutter seit sie Euch verlassen hat, wieder viel trauriges erlebt hat, doch wollen wir ja auch mit Dank erkennen wie doch vieles auch zum Besseren sich gewendet hat; und auch mit Dank die guten Stunden geniessen, die uns werden. So hatten wir vorigen Sonntag einen schönen Tag: ich war zu Mittag bei Karl, und wir entschlossen || uns schnell eine Kahnfahrt nach Templin zu machen: Heinnrich besorgte einen Schiffer, und so stiegen wir um 3 Uhr hinten an Karls Gartten 12 Personen ein, die Fahrt war sehr schön, hin etwas heiß aber zurück beim Mondschein sehr schön, um 11 Uhr waren wir wieder zu Hause. Die Havel hat doch sehr hübsche Ufer und schönes Wasser. –

Viel dacht ich dabei an Dich, wenn Du mit den Deinen hier bist, müssen wir auch || solche Fahrt machen. Karl und die Seinen lassen Dich herzlich grüssen. –

Daß ich täglich Deiner gedenke weißt Du; in diesen Tagen fiel mir beim Lesen von Humbolds Reise in Amerika eine Stelle auf, die Beziehung auf Dein Studium hat: bei Beobachtung eines Kuhbaums macht er die Bemerkung, daß der Urstof beim Pflanzen und Thierreich der selbe sei; schlägt das nicht in Dein Fach ein. – Du wirst wohl lachen, || daß Deine alte Mutter es wagt über Deine Wissenschaft mitzusprechen; doch Du weißt ja wie gerne ich an allem, was Dich interessiert, theil nehme. So freue ich mich ja auch über jeden Naturgenuß, der Dir wird, und so hoffe ich auch, daß Du auf Deiner Reise viel Schönes genießen wirst. Vor allem: komm gesund zurück. Der Gedanke Dich möglicher Weise in 14 Tagen hier zu haben beglückt schon jetzt

Deine alte Mutter

Lotte.

a irrtüml.: 10

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.09.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36661
ID
36661