Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst und Agnes Haeckel, Potsdam, 20./21. August [1875]

Potsdam 20/8

Liebe Kinder!

Eine sehr große Freude hatte ich gestern von Euch Nachricht zu haben, und danke Euch Beiden herzlich für Euere lieben Briefe. Es hat mir so wohl gethan, daß ich so einige Zeit mit Euch leben konnte, und ich danke Euch herzlich für alle mir erwiesene Liebe. Daß es Agnes Mutter besser geht und auch bei klein Emmchen der Husten abnimmt, freut mich herzlich, und ich hoffe es wird bald ganz gut. – ||

Du, mein lieber Herzens Ernst, mußt aber von Deiner alten Mutter Schelte bekommen, ist es recht so auf die Gesundheit einstürmen: 3 kalte Bäder in einem Tag? kann ein gelehrter Professor so unsinnig sein? Nun ich hoffe nur, daß es Dir nicht geschadet hat. –

Ich habe das Geld gestern richtig erhalten, und hier heute vorläufig auf die Credit Bank getragen; || ich denke nächstens wird es sich entscheiden, was für die West Phalia zu thun ist, und dann will ich alle Geldangelegenheiten ordnen. Ueberläßt Du es meinem Ermessen, wie ich das Geld für Dich denke anzulegen? – oder hast Du dabei Wünsche die ich berücksichtigen soll? Gieb mir darüber Nachricht ehe Du abreist.

Wollt Ihr, wenn Ihr verreist, mir etwaa die Kinder hergeben, ich will treulich || für sie sorgen. –

Seit ich wieder hier bin habe ich recht schwere, sorgenvolle Tage durchlebt; in der Nacht von vorigem Sonnabend zu Sonntag erkrankte Clara bedenklich; doch ist der Arzt zufrieden; sie wird nur Zeit brauchen, sich zu erholen; und noch länger das Bett hüten, was bei der Hitze keine kleine Aufgabe ist. Dabei erkrankten auch abwechselnd die Kinder und Leute, so daß meist 3 bis 7 lagen. – ||

Des Doctors Bericht von Claras Erkranken, hat Karl erst gestern in Kiel erhalten, als er von einer Fußwanderung zurück gekommen war; und ist darauf gleich heimgekommen. Da nun Karl erst um 10 gestern Abend ankam, konnte er nicht mehr zu Clara, und hat bei mir übernachtet; ich freue mich nur, daß er da ist, ich ging heute früh vor 7 nach dem Frühstück mit ihm hin, und meldete ihn erst Clara an; die sehr glücklich ist, ihn wieder || hier zu haben. –

Sonnabend.

Gestern konnt ich nicht fertig schreiben, will nun schnell Euch noch einen guten Morgen sagen, daß ich den Brief mitnehmen kann, wenn ich auf den Markt gehe, ich will mir Besorgungen machen, da morgen Karl mit den Kindern bei mir zu Mittag sein wird. Ueberhaupt werden es wohl einige unruhige Tage sein. Montag fängt die || Versammlung des Gustavs-Adolfsvereins an, und da bekomme ich Gäste. – – –

Ich werde wenn das vorüber ist einen Tag nach Berlin um das Bestech [!] zu besorgen, da Clara meint ich solle es nicht hier nehmen. Solltest Du lieber was anderes wollen, so schreib es noch in Zeiten, sonst kaufe ich, wie wir verabredet und schicke es Dir. ||

Eben war ich bei Clara, die diese Nacht doch endlich einige Stunden geschlafen hat; auch Ernst der ganz liegt, geht es heute besser.

Hoffentlich ist das Schlimmste überstanden. – Wenn Ihr mir eine Liebe erweisen wollt, so sagt mir mal bald etwas über Euer Leben, ich bin Agnes dankbar, daß sie mir über die Kinder geschrieben, da lebe ich mit Euch vor. Seid aufs innigste gegrüßt von Euerer

alten Mutter Lotte

a korr. aus: was

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.08.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36650
ID
36650