Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 31. Dezember 1874

Potsdam 31/12 74

Mein Herz lieber Ernst!

Zum Jahresschluß muß ich Dir und Deinem Haus noch meinen innigen Gruß schicken. Wenn ja auch jeder Tag ein Lebens- und Jahresschluß ist, so fordert der nun einmal für uns bestimmte Jahresschluß besonders zum Nachdenken auf und zum Rückblicke auf den a zurückgelegten Lebensabschnitt. Hat doch das vergangene Jahr manche ernste Prüffung gebracht, so haben wir doch Ursache zu vielem Dank gegen die Vorsehung für viel Seegen, der uns geworden, und für Schutz. || Mit besonderem Dank sehe ich in Beziehung auf Dich und Deine Lieben zurück, seid Ihr alle doch gnädig behütet worden, Du hast viel Freude in Deinem Berufe gehabt, und es ist Dir manches gelungen, im Ganzen könnt Ihr Euch auch der Gesundheit erfreuen und ist manches was Sorge machte, gnädig vorüber gegangen, vorigen Winter Dein Kranksein, klein Emma hat sich gekräftiget, das Gedeihen der Kinder ist befriedigend. Auch im äusseren Leben seid Ihr in der letzten Zeit einer Gefahr glücklich entgangen, daß der || drohende Brand abgewendet wurde. So können wir voll dankbar zurück sehn; und ich gedenke noch besonders mit Befriedigung an Euch, hat es mir doch so wohl gethan, als ich bei Euch war, daß Ihr Beide, Du und Deine liebe Frau, Euch beide im häuslichen Leben behaglich fühltet; und so erhalte und mehre Euch Gott dies Glück immer mehr, und das wird geschehen, im gemeinsamen Sorgen und Berathen, was für Euere Kinder am Beßten ist, wie ihr körperliches Wohl und ihr Seelenheil gestärkt werden kann, wie jedes Böse von ihnen gewendet wird. || In diesem gemeinsamen Wirken zum Wohl der Kinder wird auch das gegenseitige b Verhältniß zwischen Eheleute immer inniger und dadurch beglückender. –

Gott gebe Euch auch viel Seegen zum Neuenjahr. Ich sage Euch noch herzlichen Dank für alle Liebe, die Ihr mir in demselben bewiesen; meine einzige Freude hier auf Erden finde ich ja nur im Glück der Kinder und Enkel; und so bewahrt mir dann ferner Euere Liebe. Auf dem Kitz ist alles wohl, vorigen Sonntag war ich mit ihnen bei Tante Bertha, die Kitzer benutzten die letzte Freifahrkarte. Als ich Abends heim || kam, fand ich Deine braunschweigsche Sendung, herzlichen Dank, daß Ihr dabei meiner gedacht, beim Auspacken fand ich ein Messer von Dir in Pappier, kleine Klinge mit weißem Heft, ich werde es zurückschicken, wenn ich was noch sende. Heute Abend und morgen Mittag soll ich bei Karl sein; gestern Mittag halfen Karl und Clara mir die Wurst verzähren. Heute erhielt ich die Anzeige, daß Bulla in Lauban am 25sten gestorben ist. Seine Frau ist die Schwester von Lampert. –

Deiner Schwiegermutter und Clara bringe meinen Glückwunsch zum Neuenjahr. Du und Frau und Kinder seid innig gegrüßt von Euerer

alten Mutter

Lotte.

Bitte, sage mir ob ich Dein Buch durch Dich bekomme? Sonst bestell ich es hier.

a gestr.: Ge; b gestr.: Wirken

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
31.12.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36620
ID
36620