Haeckel, Charlotte

Potsdam 13/4 74.

Mein lieber Herzens Ernst!

Hoffentlich begrüssen diese Zeilen Dich in Jena, und bist Du erfrischt heimgekehrt, und hast Deine liebe Frau mit dem kleinen Kleeblatt gesund angetroffen. Zuerst danke ich Dir herzlich für Deinen lieben Brief aus Heidelberg, der mir eine große Freude gemacht; mir war recht wehmüthig nach Deiner Trennung; so kurz auch Dein Aufenthalt hier war, so || hat es mich doch sehr erquickt, daß ich mich mal so recht mit Dir aussprechen konnte. Habe also vielen Dank für Deinen lieben Besuch. –

Für Karl thut es mir sehr leid, daß er grade so unwohl war, und Dein Hiersein nicht so geniessen konnte. a Jetzt ist er wieder wohl, und war schon vorgestern wieder auf dem Gericht. Gestern war er mit Clara, Anna und Herrmann in || Berlin zur Feier der Silberhochzeit von Liskow, bei denen sie früh zur Gratulation gewesen waren, und Abends in [!] Freundeskreis von 80 Personen. Gestern zu Mittag und die Nacht waren die Kitzen bei Bertha gewesen. Die 5 jüngsten Kinder waren gestern bei mir. Karl, Clara, Anna und Hermann sind heute Nachmittag zurückgekommen; und sehr befriedigt von der gestrigen Feierlichkeit; ich war gegen Abend bei ihnen, und Clara || konnte nicht genug rühmen, wie hübsch es gewesen: die Liskowschen Kinder hatten sehr schöne Musikalische Ausführungen gemacht, bei Tische hatte der kleine Sydow und auch Richter schöne, sinnige Trinksprüche ausgebracht. Clara hat auch dort die Bekanntschaft des Mahlers Kerner, Deines Alingreisenden, gemacht, der ist ja glücklicher Bräutigam, wie ich aus der Zeitung gesehn. ||

Vorigen Donnerstag war ich in Berlin, besorgte erst bei Joachim Geschäfte wegen der Westphalia etc. und verlebte einige Stunden bei Bertha.

Dienstag: Gestern Abend konnte ich nicht fertig schreiben. Heute früh war Karl einen Augenblich hier, und läßt Dich herzlich grüssen. Anna ist zu künftigen Freitag zub Jacobis zum Ball eingeladen. Von Mutter Minchen sollen bessere Nachrichten sein.

Das kleine Volk hier ist munter, heute hat die Schule angefangen. ||

Bei Deiner Heimkehr hast Du gewiß viel Arbeit und Brief vorgefunden? Uebernimm Dich nur nicht gleich wieder, dann geht die Erfrischung der Reise wieder verlohren. So sehr mich auch immer nach Nachricht von Euch verlangt, so mache ich Dir doch nicht gerne noch mehr zu schreiben; und bitte also mit den herzlichsten Grüssen Agnes sehr, mir ab- und zu Nachricht über Euer Leben zu geben; mich interessiert || ja alles, was meine Lieben betrifft, was die Kinder machen und treiben etc. –

Grüsse Deine liebe Frau herzlich von mir, und den Kindern gieb von mir einen Kuß. Nochmals herzlichen Dank, daß Du hier warst.

Gott behüte Dich und Dein Haus. Behalte lieb

Deine

alte Mutter

L. Häckel.

Die Briefe von dem Bauer habe ich von Bertha erhalten, soll ich sie Dir gleich schicken? oder hier behalten bis gelegentlich?

a gestr.: Als; b korr. aus: von

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.04.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36581
ID
36581