Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 30. August 1872

Potsdam 30/8 72.

Lieber Ernst!

Seit gestern hat mich die Nachricht sehr betrübt, daß Max Sack am 26ten in Illenau plötzlich am Schlagfluß gestorben ist. Ihm ist ja wohl, sein Körper machte ihm ja viel zu schaffen, aber die arme alte Tante tut mir so leid, daß sie noch bei ihrem hohen Alter dieser hartte Schlag treffen muß. –

Drehte sich doch Tantens ganzes Leben um diesen Sohn, ihren einzigen, der nach 7 Töchter gebohren war. – ||

Gestern, mein lieber Ernst, erhielt ich Deinen Brief, und schickte die Einlage gleich an Karl, der hatte aber schon den Brief an Dich abgeschickt.

Zunächst nun zur Beantworttung Deiner geschäftlichen Fragen:

1) Wegen Anlegung des Geldes, wenn ich es hier oder in Berlin besorgen soll, dann schicke es; ich habe kürzlich etwas in die Disconto-Gesellschaft angelegt, was rathsam gefunden wurde; jetzt steht dies Pappier aber || so hoch, daß ich jetzt nicht dazu rathen kann. Von den neuen Anlagen bei der Westphalia ist auch noch nichts bekannt gemacht; das ist aber, so wie jetzt lautet, ganz vortheilhaft, und ich würde dazu rathen; damit das Geld aber nicht unnütz liegt, kannst Du ein gangbares Pappier kauffen, was man denn wieder verkauft; oder ich kann es Dir hier in die Gewärbebank anlegen, die giebt kleinea Procente und man kann das Geld gleich wieder heraus ziehen.

2) Den Wein laß erst im October schicken. || Du brauchst nur zu bestimmen, ob ich ihn Dir bestellen soll oder ob ich Dir die Adresse schicken soll, daß Du ihn Dir selbst bestellst. Ich rathe Dir aber lieber gleich ein Ohm kommen zu lassen; das ist vortheilhafter, und der Wein hält sich gut.

Daß Du mit Agnes die Thüringsche Reise machen willst, freut mich sehr, und ich wünsche Euch gutes Wetter dazu, daß es für Euch beide eine rechte Erfrischung sein möge. ||

Grüße Agnes und die Kinder herzlich von mir. So sehr ich mich freue, daß Du gerne arbeitest, so bitte ich Dich doch dringend: übernimm Dich nicht; und gönne Dir auch eine Erholung.

Unser Karl hatte in den vorigen Tagen etwas zu schaffen mit einem Zahngeschwür, das ist nun glücklich vorüber; er sah aber so elend gleich wieder aus, heute fand ich ihn aber wieder viel besser. – –

Sonst ist Clara mit den Kindern gesund, Herrmann war einen Tag auch nicht ganz gut, || aber es ist wieder ganz gut. – Das kleine Volk freut sich zu Montag, wo allgemeines Schulfest gefeiert werden soll. – Nun, gute Nacht, mein Herzens Ernst, halte Dich mit Frau und Kinder gesund, und behalte lieb

Euere

alte Mutter

Lotte.

a eingef.: kleine

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.08.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36483
ID
36483