Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 19./20. November 1871

Berlin d. 19ten | November 1871.

Mein lieber Ernst!

Herzlich danke ich Dir für Deinen lieben Brief und die beigefügten Sachen. Deine Versicherung, daß Du mit Deinen Lieben wohl bist, freut mich, daß Dein ehrenvolles Amt Dir so viel Arbeit bringt, thut mir leid, nun nur Geduld, mein lieber Ernst, im Grunde ist es Dir gut, daß Du auch mal Acten kosten mußt. –

Nun halte Dich nur gesund und munter dabei, da ist ja ein halbes Jahr auch bald überstanden, und dann freust Du Dich um so mehr Deines ge-||wöhnlichen Berufslebens. Daß Karlchens Kiste noch nicht angekommen, ist fatal, ich habe Deinen Brief gleich nach Potsdam geschickt, und Clara schreibt mir, sie würden dort gleich Nachforschungen anstellen; ich hoffe nur daß sie noch ankommt. Ist Dein Wein angekommen; Karl schreibt mir seiner sei gestern gekommen, da mußt Du ihn doch aucha haben, da es zugleich abgeschickt ist. Wenn Du ihn noch nicht hast, kannst Du dann nicht in Apolda nachfragen lassenb, ich habe Sorge, daß er dort liegen bleibtc und erfrieren könnte. ||

Die Briefe und das Buch, die Du mir geschickt haben mich sehr interessiert, und ich werde sie Dir sorgfältig aufheben; in dem Buch habe ich auch etwas gelesen, und wenn das Wissenschaftliche drin weniger für Frauen ist, so lese ich es gerne, da ich den Mann gekannt habe, den es verherrlichen soll; und man sieht wieder daraus, wie wichtig doch die Jugenderziehung ist; so manches Eckige, ja man kann fast sagen barockes, was an Schleicher einem auffiel und sich nicht recht in’s Leben mit Menschen schicken wollte, dazu findet man die Erklärung in seiner Jugendgeschichte. – ||

Uebrigens fesselt das Buch sehr, und Du wirst es gerne lesen, und Dich dabei noch freuen, daß Du Schleicher gekannt und geliebt hast. –

Unser Karl muß sich noch sehr schonen, kann daher nicht nach Berlin kommen, ich denke vielleicht in dieser Woche mal auf ein paar Stunden hinzufahren; heute ist Bertha hin, Karl hatte mich aufgefordert mit zu kommen; ich fühlte mich aber heute früh so wenig gut, daß ich nicht konnte; ich hatte gestern sehr weite Wege gemacht, und bekam dabei Schneegestöber etc; die Ruhe und Stille heute hat mir gut gethan, so konnte ich doch dies bischen mit Dir plaudern. ||

Montag. Daß Du mir das Pappier wegen der Pension geschickt war mir lieb, ich konnte es aber erst heute besorgen, da Karl dazu eine Eingabe machen mußte; und als ich heute in der Kasse kam, mußte noch manches geändert werden, was ich denn auch gethan, und denke nun morgen es an Herrn Geheimen Ober Regierungs Rat Pelemann zu schicken, hoffentlich wird nun endlich alles richtig sein. Kaum war ich zu Hause, so erschien Herr Professor Leo als Bezirksvorsteher und da mußt ich ein Examen bestehn über Vaters Erben etc wegen Besteuerung. – Ach die || Sachen sind mir alle so gleichgültig, und doch muß es besorgt werden, und alles wird mir so schwer. Wie gerne hätte ich so manches mit Dir überlegt und besprochen, nun das kann ja nicht sein, und ich weiß doch, daß mein Ernst mit mir übereinstimmt, und alles so billigen wird, wie ich es einrichte für meine Kinder. Hoffentlich kannst Du nach Weihnachten auf einige Tage herkommen, dann mußt Du Dich aber recht gegen die Kälte schützen, || und ja II. Klasse fahren. Mir wird es eine große Beruhigung sein, wenn ich Dich sprechen kann. Schreiben läßt sich doch nicht alles so gut. Bertha war auch heute auf einen Augenblick hier, die hatte gestern Karl noch in Bette gefunden, Nachmittag sei er etwas aufgestanden, habe sich aber noch sehr matt gefühlt, hoffentlich geht es bald besser. Ich denke mir es wird auch zu seiner Beruhigung beitragen, wenn erst alles in Richtigkeit ist mit dem Hauskauf, wo er in Unterhandlungen steht. – – – ||

Heute bekam ich einen sehr herzlichen Brief von Fritz Lampert, dessen Geburtstag mit Häckels zusammen ist; ach das war ja immer für unser Haus das größte Famielienfest; nun wir wollen in treuer Liebe des Geliebten gedenken, ihm ist ja wohl, und wir wollen uns Mühe geben so fort zu leben, wie er es gewünscht hat. –

Grüsse Deine Agnes und Deine Kinder herzlich von mir, wenn Du jetzt so viel zu thun hast, dann giebt Agnes wohl zuweilen Nachricht über Euer Befinden, wonach sich immer sehnt Euere Mutter Lotte.

a eingef.: auch; b eingef.: lassen; c eingef.: bleibt

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.11.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36432
ID
36432