Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 11. November 1871

Berlin 11/11 71.

Mein lieber Ernst!

Erst heute sage ich Dir Dank für Deinen letzten Brief und für die darin enthaltene liebevolle Fürsorge. Ich erkenne es dankbar, wie gut Du es meinst mit Deinem Vorschlag, daß ich noch diesen Winter Euch besuchen sollte; aber es geht nicht, ich fühle es so bestimmt, daß ich mich noch am beßten finde: still mit mir allein; mache Dir keine Sorge; ich bin nicht krank, aber es wird mir so schwer mit andern zu sein; auch mag ich Euch und niemand || stören; hier im Hause lebe ich so still im Geiste mit Vater fort; ich habe ja immer so mit und für ihn gelebt; jetzt suche ich mich zu beschäftigen, so gut es gehn will; das Leben bringt ja immer Arbeit. – –

Ich wollte Dir nicht eher schreiben bis ich Deinen Auftrag ausgeführt habe. Als Dein Brief kam, war grade Karl hier, der ging mit mir zum Goldschmidt und da haben wir zusammen einen Becher ausgewählt, ich bestellte die Inschrift, wie Du || sie angegeben, habe heute ihn abgeholt, und selbst hingebracht, ich hatte schon längst Reimers besuchen wollen, was ich bei dieser Veranlassung that. Dein kleines Pathchen ist recht gesund und kräftig. ||

Gestern war ich in Potsdam, Karl hatte mir geschrieben, ich solle doch kommen, er habe eine Wohnung besehn, von der er glaube, sie würde für mich passend sein; auch hatte ich noch mit ihm manches zu besprechen, doch darüber hat er Dir gestern geschrieben. ||

Mit Karls Hals ist es noch immer nicht ganz gut, er muß sich noch schonen. – Gestern lag auch Clara zu Bette, der Arzt meinte aber sie würde wohl heute Nachmittag aufstehn können. – Es reißt da gar nicht ab, als ich vor 8 Tagen dort war, lag Marie zu Bette, die hat sich nun wieder recht erholt. Die Kinder waren alle frisch und sehr nett; Anna kam sehr beglückt aus der Schule, sie hatte eine Prämige: Schillers Gedichte bekommen. ||

Daß Du mit dem Besuch Deiner Vorlesungen zufrieden bist, freut mich; auch daß Ihr eine Gesellschaft gehabt habt; und besonderst daß Du mir gute Nachricht über Karl mittheilst; grüsse ihn herzlich, wie auch Deine liebe Frau und Walterchen, wenn er mich noch nicht vergessen hat; wohl sähe ich die Kinder gerne mal; nun wie Gott will! –

Dich drückt mit Liebe ans Herz

Deine

alte Mutter

Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.11.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36431
ID
36431