Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 21. September 1871

Berlin 21/9 71.

Lieber Ernst!

Als ich gestern Deinen Brief bekam freute ich mich sehr, daraus zu sehn, daß Deine Reise nach Wunsch Dich befriedigt hat, Du wohlbehalten mit Frau und Kind heim gekommen bist, und daß Ihr Euer kleines Mädel gesund gefunden habt. – Gott helfe nun weiter, daß Ihr alle gesund bleibt, und fröhlich und nett Euch wieder zu Hause einlebt. – Es ist mir || Euer Hiersein jetzt fast wie ein Traum, es war so kurz und schnell vorüber; aber es ist mir doch so lieb, daß ich Deine Frau und Dein Kind endlich mal wieder gesehn habe. Ihr dürft nun auch nicht wieder so lange Pause sein lassen, und Euch dann auf länger einrichten. – Vater hat Euer Hiersein auch viel Freude gemacht, und er spricht noch oft vom Walter. – Gott erhalte Euch das liebe Kind, daß es sich immer mehr zu Euerer Freude entwickle; aber ich bitte || Euch dringend: seid nicht zu nachsichtig in den ersten Jahren, haltet auf pünktliche Folgsamkeit, dressirt und sagt nicht zu viel, aber was Ihr aussprecht darin seid fest, Ihr erspart dadurch dem lieben Kinde viel Unannehmlichkeiten. –

So weit war ich als Clara mit Anna eintraf, deren Kommen mir eine große Beruhigung ist, da es unserm Karl nach ihrer Aussage doch besser geht; ich hatte dieser Tage großes Sorge um ihn, er war am Hals erkrankt, und hat seit || Montag das Bett hüten müssen; ich glaube wohl das die viele gehabte Sorge und der Tod des Kindes ihn so krank gemacht; ihr Arzt will nun durch aus, daß Karl nicht gleich in volle Arbeit geht, sondern ein paar Tage mit Clara verreist; Clara meinte aber, das würde vor künftigen Montag wohl nicht sein können. – Karl hatte nur keine Ruh heute Clara gelassen, sie soll hier was besorgen und so war sie um 5 von Potsdam und jetzt wieder zurück. ||

Vaters Schlucken ist ganz weg, Husten und Schnupfen noch nicht, heute ist er wieder sehr schwach und den ganzen Tag verstimmt gewesen, schon um 8 Uhr hat er zu Bett verlangt. Hoffentlich wird es bald besser. –

Dabei habe ich heute Waschvergnügen. Heute früh habe ich nun einen Diner gemiethet; wir wollen hoffen, daß er gut einschlägt. –

Daß Wilhelm doppelt bekommen, ist Deine || Schuld, denn Du sagtest entschieden, daß Agnes ihm geben solle; nun Ihr habt dabei keinen Schaden, und ihm wird es recht gewesen sein. –

Daß Agnes doch Kaffe statt Erbsen hat, ist mir lieb; aber nun ist wieder eine neue Verwechslung gewesen; heute sehe ich, daß ich ihr statt Reisstärke Soda gegeben habe; doch die ist || ja auch zu gebrauchen: es ist feine Soda, wie man sie zu Brausepulver und in der Küche zu Speisena nimmt. –

Deine Agnes und Walter grüße herzlich, und sage Walter er solle Großvater und Großmutter nicht vergessen, die sich beide sehr freuten, wenn Vater schreibt: daß Walter jetzt sehr folgsam ist. Gott behüte Euch Lieben, und schreibt bald

Euerer

alten Mutter

Lotte.

a eingef.: zu Speisen

Brief Metadaten

ID
36423
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
21.09.1871
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36423
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Berlin; 21.09.1871; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36423