Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 1. August 1871

Berlin 1/8 71.

Mein lieber Ernst!

Hoffentlich geht es Dir mit den Kindern gut! ich hatte gehofft in diesen Tagen von Dir zu hören; nun wenn Ihr Lieben nur alle gesund seid! – – Heute hatte ich die Freude von Deiner Frau einen Brief von gestern zu erhalten, darnach geht es a ihr ja jetzt gut; sie sehnt sich nur sehr nach Dir und den Kindern. Wenn ich kann, werde ich ihr morgen antwortten. –

In der letzten Zeit || haben wir mancherlei Sorgen gehabt; die arme Clara hat in Karls Abwesenheit viel durch zu machen. Als sie mir die ersten beiden Nachrichten von Karl schickte, fiel es mir auf, daß sie dabei gar nicht sagte wie es ihr mit den Kindern ging; nun kam sie vorigen Mittwoch gegen Abend einen Augenblick, um uns zu sagen, welchen Schreck sie gehabt; Ernstchen || hatte bei ihr gelesen, auf einmal wäre die Stimme weg gewesen, sie habe ihn gleich zu Bette gebracht und kalte Umschläge um den Hals gemacht. Ihr Arzt war verreist, der fremde der ihn verträte habe gesagt, es sei Bräune; Mittwoch war ihr Arzt wieder gekommen; Ernstchen sei auf der Besserung müsse aber noch zu Bette liegen, Georg liege auch an ein kleines Geschwür. ||

Sonntag Nachmittag kam der Enkel Karl, der mit Herrmann Freitag zurück gekommen war, hier durch nach Freienwalde; Clara kam mit um zu fragenb ob wir könnten Georg hernehmen, der Stickhusten habe, und ihr Arzt wünschte für den Jungen eine Luftveränderung; sie wollte ihn Donnerstag bringen; nun kam sie aber schon heute Nachmittag, da er gestern in der Luft gewesen, || und ihr Doctor heute gesagt: sie möchte ihn doch gleich herbringen. Ernstchen ist auf der Besserung, wird aber noch länger liegen müssen; doch müssen wir ja froh sein, daß es so weit ist, der Doktor hat heute an Clara gesagt: es sei Difteritis gewesen. Nun wollen wir sehn wie es wird; Georgs Bettchen habe ich vor meinem gestellt, daß ich ihm helfen kann, wenn es Nachts nöthig ist. – ||

Gestern hatte ich auch einen Brief von Tante Bertha aus Sobernheim, die wollte morgen nach Bonn gehn. Mit ihrem Fuß geht es besser, sie hat noch eine Reise nach Trier und Sarbrücken gemacht, hatte auch das Schlachtfeld besehn. Clara hatte auch gute Nachricht von Karl, der nur viel Regen auf seiner Reise gehabt. Clara hat ihm geschrieben, er solle seine Reise nicht abkürzzen, und || nur seinen Urlaub ganz benützen; hätte er freilich gewußt wie es mit den Kindern kommen werde, wäre er wohl gar nicht gereist. Nun wir wollen nur wünschen, daß alles gut vorüber geht. –

Wie viel mein Herzens Junge denke ich auch an Dich und die Deinen. Gott behüte Euch, Lieben alle. –

Gieb mir nur bald Nachricht, wie es Euch geht. ||

Vater, der wohl ist, grüßt Dich herzlich

Behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

a gestr.: I; b korr. aus: sagen

Brief Metadaten

ID
36416
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
01.08.1871
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36416
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Berlin; 01.08.1871; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36416