Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 30. Oktober [1868]

Berlin d. 30/10

Lieber Herzens Ernst!

Heute früh erhielt ich Deinen so sehnlich erwartteten Brief, wofür ich herzlich danke, ich hatte schon rechte Sorge ob einer von Euch dreien krank sei. Nun, Gott sei Dank: es geht Euch ja gut, nur finde ich, Ihr seid zu ungeduldig und verlangt zu viel, Du schreibst: leider ist Agnes noch sehr schwach und erholt sich langsam; aber es sind ja erst 4 Wochen || und von eigentlichem erholen und kräftigen kann doch erst nach 6 Wochen die Rede sein. Eben so wenig kann in den ersten Wochen ein bestimmtes Urtheil darüber gefaßt werden, ob es mit dem Nähren geht; die Herren Aerzte sind immer gleich bei der Hand mit dem Entwöhnen, und machen sich nicht klar, wie viel davon abhängt; grade da es in Anfang damit so glücklich || und gut ging, habe ich für Agnes soviel davon gehofft; und habe auch die feste Ueberzeugung, wenn sie es fortsetzt, wird sie gewiß viel kräftiger und gesunder werden. Hierüber kann ich aus Erfahrung sprechen ich war als junge Frau sehr zart; nach Karl Geburt so elend, daß ich erst den 21sten Tag aufstehn könnte, in den ersten 8 Wochen war ich durch den Schmerz der durchgesogenen Brust so || herunter, daß von Erholen gar nicht die Rede sein konnte, und ich freue mich noch daß ich es durchgesetzt habe; denn Karl gedieh dabei, und ich selbst wurde stärker und kräftiger. Wenn Agnes den Kleinen noch nicht entwöhnt hat, so möchte ich sie dringend bitten, es doch noch zu versuchen, wenn sie erst länger auf sein kann und sich Bewegung im Hause machen kann, wird sich schon mehr Milch || finden. Ueberhaupt ist es eine bekannte Sache, daß reizbare nervöse Frauen so sehr dazu neigen, sich dem Bedürfniß nach Ruhe hinzugeben, und grade dadurch immer weichlicher und schwächer werden. –

Noch bitte ich Dich dringend haltet die Taufe nicht zu früh, laß doch erst Agnes sich kräftiger fühlen, es ist ja besser sie erholt sich erst, und dann kann sie auch wahre Freude am ersten Feste des Kindes haben. – – – ||

Herzlich freue ich mich, daß Agnes Mutter wieder wohl ist, grüsse sie herzlich von mir. Auch ist es mir lieb, daß Du mit dem Anfang Deiner Vorlesung zufrieden bist, und Dich wohler fühlst; ich bitte Dich dringend überarbeite Dich nicht wieder, sorge für Deine Gesundheit, das bist Du Frau und Kind schuldig. Gott gebe Euch viel Freude am Kleinen. Sollte Agnes wirklich noch den Kleinen entwöhnen, || dann, lieber Ernst, muß ich Dich dringend bitten, Dich nicht zu grämen, wenn der Kleine in den ersten Monathen nicht zunimmt, ehe abnimmt, denn das ist immer bei der Flasche der Fall; doch später bringen die Kinder es dann wieder ein; und wir wollen uns damit trösten, daß ja soviele Kinder dabei groß werden müssen. –

Es wird mir sehr lieb sein, wenn Agnes erst Mädchen gemiethet hat, mir ist es als wird sie erst || ihren Beruf als Hausfrau erfüllen können. Den Brief an Heinnrich habe ich gleich hingeschickt. Tante Bertha wird morgen nach Landsberg gehn, und Montag zurück kommen, und die 3 kleinsten Jungen mitbringen, die des Umzugs wegen hier sein sollen; Georg bei Bertha; Ernst und Julius bei uns; die Schulkinder sollen noch bis zum 21sten November in Landsberg bleiben, zwischen dem 23 und 28sten soll der Umzug sein; Karl muß zum 1sten December || in Potsdam sein Amt antreten. Habe ich es Dir denn schon geschrieben, daß Karl eine Wohnung am Brauhausberg gemiethet hat, die soll sehr hübsch sein. –

Karl nimmt die Köchin mit, und ein Hausmädchen oder Kindermädchen, wie Du es nennen willst, habe ich ihm hier gemiethet, und schon bei mir, da denke ich wird sie sich schon hier mit dem kleinen Julius einleben.

Wenn Du in December herkommst, werden sie in Potsdam schon alle eingerichtet sein. || Tante Gertrude ist einige Tage unwohl gewesen, jetzt geht es besser. Auf Dein Herkommen freue ich mich sehr, es thut mir leid, daß Agnes und der Kleine nicht mit können. Nun, wenn nur sonst alles gut geht; wir müssen immer noch dankbar sein, daß es nach der schweren Entbindung noch so geht; in diesem Jahre sind so viele schwere Wochenbette gewesen, das mag wohl Folge der großen || Hitze sein; ich weiß schon mehrere Fälle aus unserer Famielie: Frau von Plonsky, Anna Sack, die Tochter von Ernst Sack, die im July niedergekommen, wurde darnach sehr krank, ihr Kindchen starb, und sie selbst soll noch sehr schwach sein, das war eine blühende gesunde Frau. Dann war die Hauptmann Biel, eine Tochter von Emma Meier geb. Sack, von todtena Zwillingen entbunden, und nach wochenlangen Krankenlager ist sie jetzt gestorben eine junge gesunde Frau. || Heute bekommen wir von Guido Sack eine Anzeige: sein Sohn ist verlob mit der Tochter von Merkels; und seine zweite Tochter mit einem Assessor Sack. Guido und Merkels hast Du in Bresselau kennen gelernt als Du uns da überraschtest. Nun, mein lieber Ernst habe ich Dir wohl genug vorgeplaudert. Sei mit Deiner lieben Frau und Kindchen auf’s innigste gegrüßt von

Deiner

Dich so innig liebenden

Mutter Lotte.

a eingef.: todten

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.10.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36387
ID
36387