Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 20. November 1868

Berlin d. 20sten

November 68

Mein lieber Herzens Ernst!

Von Herzen dank ich Dir für Deinen lieben Brief, der mir doch die Beruhigung brachte, daß Deine Agnes wieder wohl ist, und Ihr Euer liebes Kind könnt tauffen lassen. Deina Brief kam spät erst zu Mittag an, so waren wir doch mit unseren Gedanken und Wünschen bei Euch in der feierlichen Stunde. Hoffentlich ist alles gut abgelauffen, und Agnes befindet sich ganz wohl. Du hast uns aber nicht geschrieben, wie der kleine Mensch heissen wird; || für uns ist er deshalb immer noch der Nahmenloose. –

Eine rechte Freude hast Du mir gemacht durch Zusendung des Briefes, der ja sehr liebenswürdig ist, natürlich werde ich ihn Dir sorgsam aufbewahren, das begleitende Geschenk ist ja sehr sinnig. –

Bei uns ist es jetzt immer sehr unruhig: Montag wird es 3 Wochen, daß die 3 Kleinsten hier sind, Georg bei Bertha, die beiden andern bei uns, am vorigen Dinstag erhielt Bertha aus || Landsberg eine Telegraphische Depesche: Marie krank, ich bringe sie nach Berlin, fahre gleich zurück, hole sie um 6 Uhr von Bahnhof, da nun aber die Züge verlegt waren und früher als sonst abgingen, kam Karl zu uns, und mußte um 10 Uhr mit dem Nachtzug fahren; ich nahm nun gleich Georg auch her, damit er nicht mit Marie zusammen sein sollte, wenn sie kränker würde, glücklicher Weise hat es mit Marie nichts zu sagen, wahrscheinlich || ist es nur ein verdorbener Magen, den sie sich am vorigen Sonntag in Frankfurt geholt hat, wo sie alle zusammen waren; auf den Wunsch von Mutter Minchen hat Karl ihr Anna dortgelassen, bis alle nach Potsdam übersiedlen; Heinnrich und Herrmann sind heute Abend angekommen und schlaffen mit Ernst in der Balkonstube, kleine Julius mit Dora bei Hulda; Georg habe ich heute Abend wieder zu Bertha geschickt. ||

Künftigen Dinstag denkt Karl mit Frau Oberheim zu kommen, Karl schläfft dann mit den 3 Jungen in der Balkonstube, Frau Oberheim bei Tante Gertrude. Vater hat große Freude an den kleinen Jungen, die auch wirklich prächtig sind, sehr lebhaft, dadurch ist es natürlich auch etwas unruhig; –

Du wirst aber, wenn Du her kommst Deine Freude an dem kleinen Volk haben, sie sprechen auch viel von Dir, der kleine Ernst sagte dieser Tage: wenn Onkel || Ernst mit seinem kleinen Jungen herkommt, dann sind wir 9 Geschwister: ein anderes mals: bis jetzt waren wir 6 Jungen, nun sind wir 7, da Onkel Ernst auch einen hat.

Du siehst, daß sie schon Deinen Kleinen ganz zu sich gehörig rechnen. – Nun, wenn wir den lieben kleinen Bengel nur erstmal hier hätten. –

Uebermorgen erwartte ich auch den kleinen Karl aus Potsdam, so werden dann || an Vaters Geburtstag 7 Enkel um ihn sein, schade daß Anna nicht hier ist; am meisten wird es uns aber leid sein, daß keines unserer Kinder hier sein kann; wir werden zu Mittag die gewöhnlichen Geburtstags Gäste wieder hier haben; so ist es für Vater wohl am beßten; da er selbst es so wünscht, sonst ist es mir dadurch schwer, daß er in der letzten Zeit doch oft sehr schwach ist. || Ich fahre daher auch jetzt öfter mit ihm spazieren. – – –

Vielleicht erholt er sich mehr, daß Du ihn dann wieder besser findest. –

Sonntag hoffe ich bekommen wir doch wieder Nachricht von Euch, hoffentlich geht es Dir recht gut, mit Deinen lieben. Hat Agnes noch keinb Mädchen zur Küche gemiethet? – Alles schläft schon, nun sei Du, mein Herzens Ernst mit Frau und Kind aufs innigste gegrüßt von Deiner

Mutter Lotte.

a korr. aus: Deinen; korr. aus: keinen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.11.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36383
ID
36383