Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Berlin], 14./15. Februar 1869

14/2

Mein lieber Herzens Ernst!

Gottes reicher Seegen sei mit Dir, mein liebes Kind, zum neuen Lebensjahr. Möge es Dir in jeder Beziehung so gut gehen, wie Deine alte Mutter, es Dir von Herzens Grund wünscht. Es ist Dein erster Geburtstag, den Du als glücklicher Vater verlebst; und das Lächeln Deines Kindes und die Liebe Deiner Agnes wird ein Lichtstrahl in Dein Herz werffen. Möge Gott Dir Dein häusliches Glück erhalten und mehren. – Hoffentlich || seid Ihr, meine lieben Kinder, alle drei wieder ganz gesund; das ist ja recht fatal, daß Ihr so unwohl wart, und auch grade kein Mädchen habt. Sehr wünsche ich Dir, liebe Agnes, daß die Köchin bald besser ist, und Du sie wiederbekommst, da Du doch so zufrieden mit ihr warst. Es ist doch immer für die Hausfrau unangenehm mit einer neuen sich einzurichten. Doch solche häusliche Unbequämlichkeiten müssen überwunden || werden. – Ich habe rechtes Verlangen nach Euerem Kindchen; wenn ich doch an Deinem Geburtstag nur ein Stündchen bei Dir sein könnte, und Dich mit Frau und Kind sehn könnte. Nun, so Gott will, sehe ich Euch Ostern bei mir. Sobald Du weißt, wann Du abkommen kannst, schreibe es mir; denn ich hoffe Ihr bleibt dann so lange bei uns, wie es irgend geht. Dich liebe Agnes bitte ich dringend, den kleinen Walter ja viel liegen zu || lassen; dann auf der Herreise müßt Ihr ihn so viel als möglich liegen lassen; ich würde Euch rathen dazu die Matratze mit zu nehmen, worauf er gewaschen wird und die zwischen Euch zu legen und den Jungen drauf; so kleine Kinder dürffen im Fahren nicht sitzen, das ist für den Rückgrad nicht gut.

Heute zu Annas Geburtstag sind Tante Gertrude und Bertha nach Potsdam, leider haben sie schlechtes Wetter getroffen. Mit den drei Kindern bessert es sich, Georg || und Julius liegen noch zu Bett. –

Gestern Abend hatten wir einen großen Schreck, auf einmal wurde in unserm Hoffe Feuer geruffen 2 Treppen, bei unserer Nachbarin war die Petrolium Lampe umgefallen, und ein Kind stand in vollen Flammen; die Mutter hatte sich auf das brennende Kind geworffen zum Löschen, Beiden sind Hände, Arme und Gesicht verbrannd. Ich war mehrere Stunden drinnen zu helfen bis ihre Verwandte || kamen. Die arme Frau hat eine schlimme Nacht verbracht, das Kind hat doch etwas schlaffen können. Hoffentlich geht es glücklich vorüber. Ich kann Euch nicht sagen, wie schrecklich es war; ich mußte dann auch immer daran denken, daß Karl und auch Ihr Petrolium brennt, und bitte Euch dringend ja vorsichtig damit zu sein. Beim Waschen des kleinen Walters, liebe Agnes, nimm ja nie die Lamppe, || durch eine Bewegung des Kindes kann sie ja zu leicht umgestossen werden. Seid ja recht vorsichtig, es ist so schrecklich wie schnell ein Unglück kommen kann. – –

Montag früh. Wie gern, mein lieber Ernst, machte ich Dir zu Deinem morgenden Geburtstag eine kleine Freude; ich habe Dir etwas zugedacht, worüber ich Dich noch sprechen muß und Du es dann besser selbst Dir hier besorgst. Damit Du nicht ganz leer ausgehst, schicke ich Dir 38 Apfelsinen; ich schreibe wie viel in die || Schachtel gegangen sind, weil schon mehrmals in Jena was fehlte beim Auspacken, und Kiste oder Schachtel dann eröffnet ankamen.

Tante Gertrude hat mir sagen lassen, sie habe in Potsdam alles gut gefunden. – Auch meine Nachbarin hat die Nacht etwas schlaffen können, und der Kleinen geht es besser. – Nun meine lieben Kinder seid auf’s innigste gegrüßt, seid morgen recht vergnügt. Gott sei mit Euch. – Mit Vater geht es leidlich. Tante Gertrude kommt eben und grüßt schön. – Behaltet lieb Euere alte Mutter

Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.02.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36366
ID
36366