Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 11./12. Mai 1870

Berlin 11/5 70.

Mein lieber Ernst!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief! Daß Ihr, meine drei Lieben wohl seid, freut mich, Du schreibst mir aber gar nicht wie es Deinem Schwager Huschke geht. Hoffentlich ist er doch jetzt wieder ganz hergestellt?

Daß beide Flaschen Rum zerbrochen sind, ist mir sehr leid, Furcht hatte ich wohl schon die Flaschen so viel anderen Sachen zusammenzupacken. Nun, das muß verschmerzt werden, es thut mir nur leid, daß Ihr nun keine bekommen habt. || Daß die Fracht per Eisenbahn billiger ist, weiß ich wohl, ich fürchtete aber es könne lange in Apolda stehn, deshalb wählte ich Post. –

Zu meiner Entschuldigung kann nur das dienen, daß ich damals, als ich Deine Sachen packte, schon recht unwohl war; mich quält seit Wochen eine starke Erkältung mit unvernünftigem Husten. Auch Vater hatte Husten und Schnupfen, es geht ihm aber jetzt besser. Auch ich fühle mich besser da die Heiserkeit und der Halsschmerz vorbei ist. Nun: Unkraut vergeht nicht, da wird es schon wieder werden. – ||

Donnerstag. Gestern, mein lieber Ernst, konnt ich nicht fertig schreiben, also ehe wieder Störung kommt zur Beantwortung Deines Briefes, nach Rücksprache mit Karl ist es wohl am beßten Du unterschreibst bloß die Vollmacht für die Westphalia und schickst sie mir her; der Nahmen des zu Bevollmächtigten kann dann eingerückt werden. Ich denke es auch so zu machen, und wenn Quincke zur Conferenz nach Dortmund geht, (wie Karl meint) ihm die Vollmachten zur Verfügung zu stellen. –

Die leeren Kisten kannst Du schicken, wie es Dir paßt, ich bin ja immer zu Hause. ||

Gestern vor 8 Tage waren Karl und Clara mit Karl hier. Letzterer saha so elend und krank aus, daß ich Dir nicht sagen kann, wie mich der Junge jammert. Vorigen Montag kam Karl her; da er die Zusage erhalten hatte, daß Karl hinkommen solle. Karl wollte nun mit ihm heute oder morgen bis Heidelberg reisen etc. Als Karl aber zu Hause gekommen und mit Clara alles besprochen, hat er Dinstag seine Geschäfte geordnet, und ist schon gestern früh abgereist; wie mir heute Clara schreibt. Du kannst denken, mein lieber Ernst, wie mein Herz heute mit unseren || beiden Karls beschäftigt ist, unserem Karl wird es gewiß recht schwer; ach und wie wird es erst dem kleinen Karl so ganz unter Fremden sein. Für uns alle ist es eine schwere Prüffung, in die wir uns finden müssen. Gebe Gott nur daß der arme Junge in richtige Hände kommt, und daß er genesen möge. –

Nach dem warmen Gewitterregen ist hier alles schön grün und die Blüthenpracht herrlich, da wird es ja bei Euch auch schön sein; gehe Du nur auch bisweilen in’s Freie und freue Dich Gottes schöner Welt; wenn || man alt wird, wird das Leben immer schwerer. Agnes und Walterchen freuen sich auch wohl recht des schönen Frühlings. – Daß Gegenbauer sein Töchterchen bei sich hat, freut mich sehr. Ich kann es mir noch gar nicht als Möglichkeit denken, daß Ihr Euch jetzt so wenig seht! –

Grüsse Deine Agnes Walterchen, Mutter Huschke und Clara herzlich von mir.

Vater ist eben spazieren, sonst schickte er Dir gewiß Grüße.

Wie immer

Deine

alte Mutter

Lotte.

a korr. aus: sehr

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.05.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36323
ID
36323