Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 18. Februar 1871

Berlin d. 18/2 71.

Mein lieber Ernst!

Gestern als ich Deinen lieben Brief erhielt, wurde ich getäuscht, ich dachte zu erfahren wann Du ankommen würdest und nun kommst Du jetzt gar nicht. Bei dem heutigen Regenwetter freue ich mich, daß Du nicht unterwegs bist. Du hattest früher so bestimmt geschrieben, daß Du den 19ten hier sein würdest, daß ich Karl mit Frau und Kinder dazu eingeladen hatte, Karl hat nun heute auch abgeschrieben. Nun heißt es also noch 14 Tage wartten! – ||

Montag wollt Ihr also Euer Töchterchen tauffen lassen, und ich danke Dir und Deiner lieben Frau, daß Ihr mich wollt daran Theil nehmen lassen. Gerne nehme ich die Pathenstelle an, wohl wird aber mein liebes Pathchen bei meinem hohen Alter nicht lange sich der Gevatterin freuen. Nun, wie Gott will. Für jetzt sende ich dem lieben Kinde meine innigsten Wünsche. Gott erhöre unser Gebet, und lasse sie gedeihen, daß sie fromm und brav werde; und ein thätiges Mitglied im Reich Gottes werde. – || Hoffentlich wird Deine liebe Agnes wohl genug sein, daß sie der feierlichen Handlung beiwohnen kann. Im Geiste werde ich bei Euch sein.

Da Du für Agnes gerne bald den entöhlten Kakao wünscht, so schicke ich Dir vorläufig ein [Pfund]a, und bitte mir zu schreiben ob Agnes dieser recht ist, oder ob sie lieber solchen hat, wie ich früher von Rex genommen habe, diesen beikommenden habe ich hier in der Nähe aus einer Drogerie Handlung für Vater genommen und finde ihn nicht gut, will Agnes lieber von Rex haben so schreib es nur, ich kann || ihn dann ganz gut besorgen, wenn ich mal mit Vater fahre, und schicke Euch dann mehr. Zu Deinem Geburtstag wollte ich Dir 6 bunte Hemden machen, da ich aber so viel anders zu thun habe, sind nur 2 fertig geworden, die ich heute mitschicke, damit Du sie versuchst und sagst, wenn Du etwas anders wünscht; namentlich mußt Du mir sagen: ob Du lieber solche breiten Kragen oder solche schmalen, wie auf dem Hemde mit dem schrägen Einsatz ist, wünschst. Bitte gieb mir hierüber bald Antwort. Die andern Kragen habe ich noch nicht geschnitten. – || Dann wollt ich Dir ein neues Plet schenken, dachte aber Du sollst es Dir selbst aussuchen da sie so sehr verschieden sind. – Wünschst Du auch sonst irgend etwas? Die Hemden sind nicht so gut genäht, als ich es wünschte, aber die alten Augen wollen nicht mehr, und ich tröste Dich mit der Aussicht, daß sie künftig von Deiner Agnes besser genäht werden. Tante Bertha hat mir für euch 2 Dutzend Teller und 2 kleine Schälchen geschickt, dann sind noch die Gläser für Euch hier, soll ich das Alles bald schicken? || Wegen des Kakaos, bitte ich auch um Antwort. – Du fragst ob Du mir von Jena einen Bedienten schicken solltest? wird das dort nicht eben so schwer wie hier sein? fehlt es doch überall an Arbeitskräften, ich glaube wir werden wartten müssen, bis Leute aus Frankreich heimkehren; was hoffentlich bald geschieht. Ich kann ja auch nicht jeden brauchen, es muß ein zuverlässiger Mensch sein, der auch willig ist zu manchen Unannehmlichkeiten, die in solch hohem Alter vor kommen. – ||

Vor einigen Tagen besuchte mich Deine Schwägerin Marie, und ich freue mich Deiner Schwiegermutter nebst schönem Gruß von mir sagen zu können, daß ihre Tochter sehr blühend und gesund aussah. –

Heute früh war Helehne einen Augenblick bei mir, die ist in Frankfurt gewesen. Tante Bertha ist auch auf der Besserung, ich habe sie lange nicht gesehn. Deine Schwägerin Clara begrüsse ich herzlich als Mitgevatterin, sie wird unserm Pathchen mehr sein, als ich es kann. ||

Nun, mein lieber Ernst, sei noch mit Deiner lieben Frau und den Kindern aufs innigste gegrüßt von

Deiner

Dich so innig liebenden

Mutter Lotte.

a im Original Symbol für Pfund

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.02.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36296
ID
36296