Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Landsberg an der Warthe, 20. – 21. September 1866

Landsberg den 20.

Mein lieber Ernst!

Schon gestern wollte ich Dir sagen, daß Vater vorgestern glücklich hier angekommen ist; in Berlin erst Abends halb zwölf Uhr. Vater ist wohl; Karl sieht mit unter angegriffen aus, ist aber wieder wohl; die Kinder sind im Ganzen wohl, wenn ab und zu bei einem etwas Diare vorkommt, geben wir ihnen gleich Schweinegrusethee, was schnell hilft; das ist hier ein Mittel, was im Volke gebraucht wird || ich werde Dir ein Zweigelchen bei legen, ob Du den gelehrten Namen des Krautes kennst, das wild am Zaune wächst; wenn dort auch die Colera kommt, kannst Du es empfehlen. Deine Versicherung, mein lieber Ernst, daß Du wieder ganz wohl bist, hat mich sehr beruhigt; aber ich bitte Dich dringend sei ja recht vorsichtig, nimm Dich mit der Diät sehr in Acht, und besonders vor Erkältung, || gehe täglich in die frische Luft, aber laß das Baden jetzt ganz. Auch freut es mich, daß Du bald mit Deiner Arbeit denkst fertig zu sein. Vater meinte, es sei noch ungewiß, ob Du noch her kommen könntest; das solltest Du doch ja nicht unterlassen, Karl sehnt sich sehr nach Dir, und meinte Du möchtest ihm doch 2 Tage schenken; er sehne sich sehr, sich mit Dir auszusprechen. Wir haben über unserer Abreise nichts bestimmt, || das soll sich darnach richten, wie Du es wünscht; schreibe mir daher, so bald Du weißt, wann Du kommst, ob wir in Berlin, Dich empfangen sollen, oder ob Dir es lieber ist, noch hier mit uns zusammen zu sein; Du kannst auch wenn wir hier sind auf Karls Sopha schlaffen. – Natürlich ist der heutige Tag anders, als er sonst verlebt wurde, nach Karls Wunsch soll keine Notitz vom || Geburtstag genommen werden; er ist früh mit Vater und der kleinen Marie auf den Kirchhof gegangen, und von da zum Gericht. Tante Bertha ist vorgestern Nachmittag wieder nach Berlin gefahren. Ich glaube wir haben es für die Pflege der Kinder und für die Wirthschaft ganz gut getroffen mit der Frau Superintendentin Oberheim, wenigsten wie wir es a erwartten konnten; wenigsten werde ich in der Beziehung beruhigt abreisen. Gott helfe weiter! || Richter hat gestern Karten geschickt eine kurze Notitz von der Rede, die er am Grabe gehalten, ich wollte es Dir erst abschreiben, doch Du kannst sie ja hier lesen. –

Gestern stand in der Zeitung in Palermo seien Unruhen ausgebrochen in Folge der Aufhebung der Klöster; wirst Du dennoch nach Italien gehn? – – –

Du kannst denken mein lieber Ernst, wie verwaist mir das Haus hier ohne || unsere liebe Mimmi ist, und doch ist es mir lieb hier zu sein; und auch daß ich noch sehe, wie die Frau Oberheim sich einrichtet, besonders wie sie mit den Kindern ist; ich glaube Du wirst auch ruhiger reisen, wenn Du Karl gesehn hast; ich hoffe also Du kommst. –

D. 21sten Gestern früh war Georg erkrankt, und hat uns den ganzen Tag Sorge gemacht, jetzt früh scheint es auf der Besserung zu sein. Karl mußte gestern Mittag über Land, zur Aufnahme eines || Testament, das war für ihn recht schwer, da es auch bei Colerakranken war; er kam erst Abends zurück; zum Thee war Sturm mit seiner Frau hier. – Ich wollte diese Zeilen schon b gestern abschicken, damit Du hörtest, daß Vater die Reise glücklich zurück gelegt hat, Karl sagte aber er wolle heute noch ein paar Zeilen zuschreiben. Allen Deinen Freunden die sich auch so theilnehmend Vaters angenommen, sage herzlichen Dank von Deiner Dich so innig liebenden Mutter Lotte.

a gestr.: be; b gestr.: A

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.09.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36265
ID
36265