Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Berlin, 10. November 1867

Berlin d. 10ten November 67.

Liebe Kinder!

Schon lange war es mein Wunsch, Euch zu schreiben, aber immer kam es nicht dazu, entweder äussere Abhaltungen oder es wollte nicht gehn bei den häufigen Kopfschmerzen, oder es bewegte mich auch so manche Sorge, die ich dann auch nicht gegen Euch aussprechen mag, ich möchte nichts Trübes in Euer stilles Glück bringen, und ich bin ja mal solche dumme Natur, die nicht anders sich aussprechen kann, als sie denkt und fühlt. – ||

Daß Ihr am Geburtstag von Agnes so heiter und zufrieden gewesen seid, freut mich herzlich, wir haben viel Euerer gedacht; und freuen uns schon recht auf Euer Kommen; richtet es nur ja so ein, daß Ihr so lange als möglich bleiben könnt. – Vergiß dann nicht, lieber Ernst, mir die Photographien mit zu bringen, die ich mir bestellt habe. Tante Bertha ist wieder von Landsberg zurück, ich habe sie aber noch wenig gesehn, sie war einen Tag in || Potsdam, und auch sonst viel in Anspruch genommen, wir wohnen auch doch zu weit von ein ander, man kann sich doch nur wenig sehn. In der letzten Zeit waren wir auch alle wieder sehr in Anspruch genommen, durch Erkranken von Eliese und ihrer Tochter Karoline. Ach es ist zu traurich. –

Mittwoch vor 8 Tagen waren wir zu Mittag bei Georg Reimer, da war natürlich auch der Sohn Ernst mit seiner lieben Frau, die Du, meine liebe Schwiegertochter, wohl kennst. || Nach Tisch kamen auch die beiden Kinder herunter, über die wirst Du, liebe Agnes, Dich recht freuen, sie sind prächtig, das Mädchen sitzt schon so stramm und sieht gesund und klar aus; und als ich Max fragte: kennst Du mich? sagte er: Du bist wohl von Jena hergekommen; auch wußte er noch ganz gut seinen Wunsch von der Hochtzeit zu sagen. – Marie sah auch recht wohl aus. Daß es Deiner Schwester Bertha besser geht, freut mich herzlich, || hoffentlich bleibt es nun auch an der Besserung, dann wird Deine liebe Mutter auch wieder sorgenfreier sein.

In der letzten Zeit hat uns einigemal Karo besucht, der jetzt hier ist, auch heute war er bei uns, und fragte auch sehr nach Euch. –

Clara Lampert ist noch hier, spricht aber schon oft von der Abreise, sie wird uns dann recht fehlen. Sie ist zwar oft aus, da sie hier viel Bekannte hat, aber es lebt sich doch sehr traulich mit ihr, heute || Abend ist sie mit Jacobis im Theater, wo sie Marie Stuard sieht.

Eben schickt mir Tante Bertha Briefe zum Lesen, die sie von Landsberg erhalten hat, einen von Karl und einen von Frau Oberheim. Darnach geht es dort gut, mit Karl besser und der kleine Julius sei auch recht heiter, und hat ganz ohne Beschwerde 2 Augenzähne und 2 Backzähne bekommen, und fängt an zu sprechen. Gebe Gott daß es so fort geht. ||

Karl denkt am 22sten herzukommen, zwar nur auf einen Tag. Du hast, lieber Ernst, mir nicht gesagt, ob ich das Stück vom Mikroskop, was Du mir mit her gabst, zu Schick bringen soll, und was dabei bestellt werden soll; ich könnte das doch besorgen ehe Ihr her kommt; wie ich denn überhaupt wünsche, daß Du die kurze Zeit Eueres Hierseins nicht zu sehr verkümmert durch zu viel Besorgungen. ||

Grüßt mir Euere liebe Jenaer Mutter recht herzlich, hoffentlich ist ihre Einquartierung fort, und Bertha bleibt auf der Besserung.

Vater grüßt Euch herzlich, er ist ganz wohl. Auch Deinen Schwestern, liebe Agnes, meinen herzlichsten Gruß; und vor allem Euch Beiden von

Euerer

Euch liebenden

Mutter Lotte

Brief Metadaten

ID
36245
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
10.11.1867
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,3 x 22,1 xm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36245
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Berlin; 10.11.1867; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36245