Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Berlin], 4. – 8. März 1868

Mittwoch

d. 4ten März.

Mein lieber Herzens Ernst!

Endlich erhielt ich heute Deinen so sehnlich erwartteten Brief; ich habe rechte Sorge um Euch gehabt; und wie ich sehe, nicht ganz ohne Grund. Unsere liebe, kleine Frau soll sich nur recht in Acht nehmen, aber auch standhaft und stark sich machen. Eine Beruhigung ist es mir, daß sie ihre Mutter dort hat. Sobald sie wird besser sein, mußt Du drauf halten, || daß sie a täglich mässige Bewegung im Freien macht; doch die Mutter wird schon für alles sorgen. –

Daß schon wieder von Deinen Freunden einer heimgegangen ist, thut mir wirklich leid; auch die armen Engelmanns in Leipzig, hoffentlich erholt sich der Sohn bald.

Daß Dein Freund Max Schulz sich verlobt hat, freut || mich, Tante Bertha, die heute früh hier war, kennt die Braut, es sei ein sehr nettes Mädchen. –

Den 8ten

Schon wieder sind diese Zeilen unvollendet liegen geblieben; ich konnt aber nicht zum Schreiben kommen, theils wegen so mancher häuslichen Unruh und dann auch war und ist mein Kopf oft so dumm. Vorgestern Abend kam Karl hier an, und ist heute früh wieder abgereist, er hatte so sehr den Wunsch sich auszusprechen, ach wenn ich dem armen Jungen nur mehr sein könnte. Gesund || ist er und sagt auch die Kinder wären alle wohl. Karl läßt Dich herzlich grüssen, er wird Dir nächstens schreiben. Von Deiner Schwägerin Marie hörte ich neulich, Deine liebe Schwiegermutter habe einen schmerzlichen Verlust durch den Tod einer ihrer Schwestern erlitten. Sage der lieben Mutter, daß ich ihrer mit herzlicher Theilnahme gedenke. –

Du schreibst, mein lieber Ernst, Du dächtest in den Osterferien viel zu arbeiten, ich schliesse daraus, daß Ihr also zu Ostern || nicht zu uns kommen werdet; aber wie ist es, können wir darauf hoffen, daß Ihr zu Pfingsten zu uns kommen werdet, wird Agnes reisen dürffen?? –

Gieb mir nur recht bald Nachricht, wie es ihr geht und Dir, laß uns nicht wieder so lange wartten. –

Neulich traf ich bei Tante Bertha Mollard, der meint ob Du nicht mal wieder in der Geographischengesellschaft einen Vortrag halten würdest, Dein früherer über die Etnabesteigung habe so sehr gefallen; da dachte ich wenn Du herkommst, || könntest Du ja hier den Vortrag über die Pickbesteigung, den Du in Jena gehalten, auch hier zum Beßten geben?? – –

Frl. Adeline Seebeck, die mich vor einigen Tagen einen Augenblick besuchte, sagte mir Dein Vortrag sei sehr interessant gewesen. – Sie ist hier bei Luise Lachmann gewesen, und wollte morgen wieder abreisen. Sie sagte mir Luise habe einen Brief von Max Schultze aus Bonn gehabt, er schrieb sehr glücklich über || seine Verlobung. –

Vorigen Donnerstag hatten wir zu Mittag Gäste, auch Ernst Reimer mit seiner Frau, beide waren sehr munter. –

Mich hat b in diesen Tagen der Tod von Betzolt sehr beschäfftigt, es ist wirklich betrübt, wie viele Deiner Jugendfreunde schon gestorben sind, Betzolts Tod hattest Du wohl schon lange gefürchtet? Lebt denn seine arme Mutter noch? Die Vorträge von Karl Vogt sollen sehr besucht sein, Tante Bertha hatte sie auch hören wollen, aber kein Billiet mehr bekommen, || Heinnrich hört sie. Als ich darüber in der Zeitung las, dachte ich viel an Dich.

Am Sonnabend Abend sollte inc der Geschworenen-Gerichts Bericht erstattet werden über die Ermordung des Herrn von Hürzel; wie der Bothe mir sagte, sei sein Tod ganz schauerlich gewesen. Vater ist nicht hin gewesen. – Vater grüßt mit mir Dich, Deine liebe Frau, Schwiegermutter und Schwestern herzlich. Mit der innigsten Liebe grüßt Euch

Deine alte Mutter Lotte.

a gestr.: sich; b gestr.: es; c korr. aus: ich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.03.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36237
ID
36237