Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin. 4. – 5. Mai 1868

Berlin d. 4/5 68.

Mein lieber Ernst!

Wie sehr freue ich mich, daß es meinen lieben Kindern in Jena jetzt wohl geht, und es Agnes auch besser geht; hoffentlich haltet Ihr Euch beide ganz frisch; Dich bitte ich nur dringend, mein Herzens Ernst, überarbeite Dich nicht –

Wir sind auch gesund. Die letzte Zeit war etwas unruhig, öfter waren Famielienzusammenkünfte veranlast durch das Hiersein von Bertha Petersen, die mit ihren 4 Kindern bei Jacobis wohnt; und bei Onkel Julius in Potsdam ist Marie Bleek mit ihren 2 Kindern. ||

Theodor ist seit Freitag auch gekommen; Hedwig Bleek wohnt bei Tante Bertha, Sonnabend waren wir alle bei Tante Gertrude, und gestern hier bei uns. Leider konnte Onkel Julius nicht mit kommen, weil er unwohl war. Hoffentlich giebt es sich aber bald. Marie Bleek war gestern auch nicht mit hier. – Petersens werden heute nach Frankfurt reisen, wo sie noch einige Tage bei Mutter Minchen sein werden. Ich habe mich recht gefreut: Bertha so heiter und frisch zu || sehn; ihre Kinder sind sehr stark und groß. Freitag Abend war sie mit Reimers zusammen bei Tante Bertha gewesen; sie hatte sich sehr gefreut Deine Schwester, liebe Agnes, kennen zu lernen. Beim Abschied trug sie mir noch viele Grüsse an Euch auf. –

Habe ich es Euch denn schon geschrieben, daß Onkel Julius zum October eine Wohnung neben Tante Bertha gemiethet hat, die Direcktion der Eisenbahn wird nach Berlin verlegt.

Dienstag. Guten Morgen, Ihr lieben Kinder, wahrscheinlich genießt Ihr Beide noch süsse Ruh, wenigstens || Agnes! – Daß Bertha nun wieder bleibt, ist ja in vieler Beziehung grade jetzt gut, da es Dir schwer würde, Dich jetzt mit einem neuen Mädchen einzurichten; aber eine Bitte drängt sich dabei bei mir auf: wie Bertha einmal ist, so launenhaft, einmal himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt, und dies so unerwarttet schnell wechselt, so kann es nicht ausbleiben, daß sich die Hausfrau darüber ärgert; da wollt ich Dich bitten, meine liebe Agnes, daß Du es Dir zum festen Grundsatz machst, Dich über nichts zu ärgern, || denn das wirkt zu schädlich auf das Kindchen, besonders während a es gestillt wird, und ich hoffe doch, meine liebe Agnes wird ihr Kindchen selbst nähren, aber wenn das gut gehn soll, dann muß die Mutter auch ganz für ihr Kindchen leben. – Doch das Kapittel können wir ja hoffentlich mündlich abmachen; wenn Ihr uns noch haben wollt, so denke ich kommen wir Anfangs July zu Euch. Als Ihr schriebt: zu Johanni würdet Ihr ein neues Mädchen bekommen, dachte ich schon es wäre besser: wir kämen nun gar nicht oder später; nun || aber Bertha bleibt, fällt ja dieser Grund weg. – Uebrigens habe ich mit Vater noch gar nicht darüber gesprochen, und will es auch nicht eher thun, bis wir wissen ob und wann? wir zu Euch kommen sollen. Grüßt mir die liebe Mutter und Schwestern herzlich; und meine lieben Kinder seit noch besonders gegrüßt von

Euerer

alten Mutter

Lotte.

a gestr.: Du

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.05.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36229
ID
36229