Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 24. – 29. [Mai 1868]

Berlin d. 24sten

Mein lieber Herzens Ernst!

So recht von Herzen möchte ich Dir danken für Deinen lieben, lieben Brief: mir that es so wohl, daß Du mir mal so über und aus Deinen Erlebnissen schreibst; ich habe Dich begleittet auf Deiner Reise und mit Dir alle Empfindungen in Merseburg getheilt, und danke Gott aus vollem Herzen für alles Gute, was er Dir verliehen hat, und was mir durch meine beiden lieben Jungen geworden ist. || Sehr erfreut es mich, daß Du Deine liebe Frau wohl gefunden hast, und es ihr im Ganzen doch scheint besser zu gehn. Hoffentlich wird es ihr immer besser, und ihr erfreut Euch des zu erwarttenden Glücks. Manichmal denke ich es sei für Agnes besser, wenn wir in diesem Sommer ruhig zu Hause blieben, und nicht zu Euch kämen; aber dann verlangt mich auch wieder sehr nach Euch und mit || Euch Euere Häuslichkeit einige Zeit zu theilen; und es würde mir auch schwer; Vater, der sich sehr nach Euch sehnt, die Reise auszureden; doch wenn es für Agnes besser ist, so kommen wir nicht. –

Gestern war Marie Reimer ein Stündchen bei mir, was mir viel Freude macht, sie war munter und läßt ihre Lieben in Jena grüssen. Marie meinte, daß Agnes vielleicht das Geld für die Leinewand durch Postanweisung geschickt habe, dann muß sie aber den Schein haben, hier ist es nicht angekommen. ||

d. 29sten Schon mehrere Tage liegen diese Zeilen, und so viel ich auch an Euch, liebe Kinder! gedacht habe konnt ich doch nicht zum Schreiben kommen, theils war mancherlei häusliche Unruh, aber hauptsächlich wollte ich Euch nicht schreiben, weil ich zu traurig war; nicht grade ist was besondres vorgekommen, und ich schelte mich auch oft aus, daß ich mich so schwer in das Leben finde, Tag und Nacht liegt mir Karl mit seinen Kindern im Sinn und ich kann nicht helfen. – ||

Morgen wird Tante Bertha nach Landsberg gehn und die Feiertage mit Karl und den Kindern verleben; das freut mich sehr, dadurch werden unsere lieben Landsberger hoffentlich vergnügte Tage haben; und das wünsche ich auch meinen lieben Jenaer Kinder, vor allem daß unsere kleine Frau recht frisch und heiter sein möge, damit sie auch mit Freudigkeit der Zukunft entgegen gehe. Ist Agnes bei Ihrer Mutter? oder seid Ihr fertig mit Eurer Bauerei und seid Ihr wieder daheim. – ||

Hoffentlich habt Ihr die Sachen richtig erhalten, die ich per Eisenbahn geschickt habe, schreibt mir nur wieviel Fracht Ihr ausgelegt habt, ich wollte es nicht frei machen, weil ich bange war, es würde dann lange in Apolda liegen bleiben. Sollte es im Juni kühler sein, so schicke ich dann den Wein, sonst lasse ich es, und bringe ihn dann mit, wenn wir kommen, wenn das auch mehr kostet, so riskiere ich doch nicht, daß er verdirbt. – ||

Zur Megede, der zum Reichstag hier ist, und dessen Frau und 2 Töchter mit ihm die Festlichkeiten in Kiel, Hamburg etc a mit gemacht haben, waren heute und gestern bei uns zu Mittag; morgen reisen sie wieder fort. –

Helehne Jacobi war heute früh hier, sie wird mit Mann und Kinder morgen zu Freunden aufs Land gehn, wo sie die Feiertage verleben werden, so fliegt alles aus. – Wir werden still zu Hause sein, wie es auch für alte Leute am beßten ist. – ||

Zu Sonntag Mittag hat uns Elise gebeten, wir haben es angenommen, es ist doch in vieler Beziehung sehr schwer. –

Hedwig Beleek ist abgereist; die letzten Nachrichten von Johannes waren nicht gut. –

Nun, meine lieben Kinder, für heute sage ich Euch Lebewohl: Gott schenke Euch fröhliche Feiertage; wenn Du, mein lieber Herzens Ernst, noch einen Ausflug machst, so denke an mich, und sei vorsichtig. – Vater grüßt mit mir herzlich Euch Beiden die liebe Mutter etc. Wie immer

Euere Alte.

a gestr.: durch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.05.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36226
ID
36226