Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Berlin, 27. – 29. [Januar 1868]

Berlin d. 27tn

Liebe Kinder!

Herzlichen Dank für Euere lieben Briefe, die gestern früh kamen, und mir viel Freude machten, vorzüglich aber durch die Nachricht, daß es Deiner lieben Mutter, meine liebe Agnes, besser geht. Hoffentlich erholt sie sich bald ganz.

Den 29ten. Neulich wurde ich im Schreiben gestört und konnte nicht wieder dazu kommen, ich will nun versuchen ob ich noch ein bischen mit Euch plaudern kann, viel wird’s nicht werden; denn || wir haben Wäsche. –

Recht herzlich habe ich mich gefreut, daß Dein Vortrag, mein lieber Ernst, gelungen ist und Euch beiden so viel Freude gemacht hat. Wird er gedruckt? Agnes schreibt, ihr könne bange werden bei den vielen Lobeserhebungen; ich denke mir, wir werden davon nicht zu viel zu fürchten haben; wenn auch zu viel Lob immer nicht gut ist, so hoffe ich doch es wird || Ernst nicht schaden, und er wird nachgrade gelernt haben, was von solchen Lobpreisungen zu halten ist, wie bald verrauchen die; und so lernt man auch den Tadel weise benutzen, der ja auch nicht ausbleibt; der führt immer zur Selbstprüffung, was man besser machen könnte. –

Ich denke mir mal Ernst ist bei den Lobeserhebungen vor Eitelkeit, die ja nebenbei an einem Mann wiederlich ist, als bei einer Frau, || am beßten geschützt, wenn er bei allem Guten, was ihm zufällt, immer mit Dank sich aller Vorzüge er erinnert, die Gott ihm gegeben hat; mit allem Fleiß, den er angewand hat, hätte er doch bei geringeren Fähigkeiten und weniger günstigen Umständen, das nicht erreicht, was ihm im Leben geworden. – Und dann mag er auch lernen geduldig Tadel ertragen. – – ||

Doch, meinem lieben Ernst, wird wohl meine Predigt zu lang, und so gerne ich ihm noch manches gesagt, so will ich ihn doch nicht ermüden.−

Vorigen Sonntag war Deine Schwester Marie mit ihrem Manne bei uns zu Mittag; Marie sah sehr wohl aus, sie waren am Sonnabend auf dem Subskripsschionsbal [!] gewesen, das hatte ihr viel Spaß gemacht. – Marie klagt, daß Du, liebe Agnes, ihr gar nicht schriebst; ist [!] habe ihr Deinen Brief mitgetheilt. Sie freute sich mit mir, daß es doch der lieben Mutter besser geht. –

Gestern und heute ist bei uns gewaschen, nun wird die Wäsche bei dem nassen Wetter wohl eine Weile hängen müssen. Morgen wird die Weiß mit Jettchen Barth, die bei ihr ist, bei uns essen. Ich hätte die Weiß schon gerne Sonntag bei junge Reimers gehabt, weil sie die gerne hat; sie || schlug es aber ab, weil Sonntag Abends Beirichs etc zu ihr kämen, da wird es ihr zu viel. –

Tante Bertha, die Sonntag auch hier war, wird morgen auch kommen. Aus Landsberg lauten die Nachrichten gut, Mariechen ist auch wieder besser; Karl will nächstens mal ein paar Stunden eines Sonntags herkommen. –

Nun gute Nacht, liebe Kinder, grüßt die liebe Mutter und Schwestern herzlich von

Euere

Euch innig liebenden

Mutter Lotte. ||

Vater grüßt herzlich. Haltet Euch nur recht frisch und gesund. –

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.01.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36208
ID
36208