Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Landsberg an der Warthe, 11. Juni [1865]
Landsberg den 11ten Juni
Lieber Herzens Ernst!
Von einem Tage zum andern habe ich gehofft Nachricht von Dir zu erhalten; aber bis jetzt vergebens. Hoffentlich bist Du gesund? Hast Du zu Pfingsten Besuch von Marttens gehabt? –
Wir sind seit dem 2ten Juni hier, Karl mit den Kindern waren auf dem Bahnhoff. Karl ist recht wohl, aber Herrmine hatte schon Husten, wie auch der kleine Karl und Herrmann. Herrminens Erkältung verschlimmerte sich bei dem kalten Wetter noch sehr, so daß sie orndlich || Fieber hatte und vorgestern ganz zu Bette bleiben mußte. Ich hatte rechte Sorge um sie, heute geht es doch viel besser, sie ist wieder auf, auch hat sie heute wieder mit Appetiet gegessen. Hoffentlich bleibt es nun an der Besserung. Wir freuen uns mit den Kindern zusammen zu sein. Der kleine Karl freut sich sehr, in seinen Ferien zu Dir zu kommen, ich denke wir richten unsere Reise zu Dir nach seinen Ferien || ein, daß er mit uns reisen kann, doch das muß dann noch näher besprochen werden. Ich bin auch noch ungewiß, ob es doch nicht besser ist, wenn ich Hulda mitbringe, wenn wir 3 Personen bei Dir sind, möchte es doch für Bertha zu viel zu thun geben; und so weit ich Bertha und Hulda kenne, so glaube ich, die werden beide gut miteinander fertig werden; Hulda ist auch Vater in allerlei behülflich, hilft ihm Stiefel anziehen etc. – doch das kann man ja noch reiflich überlegen. ||
Sehr gut gefällt mir hier Karls Wohnung, und ich freue mich, daß sie so gesund und räumlich wohnen, die Kinder geniessen recht die Freiheit, sind viel muntrer. Die beiden kleinen Bengels sind reizend; die dicke Mitze ist durch die große Freiheit etwas aus Rang und Banden, und Herrmine wird sie etwas kurz halten müssen. – Vater ist wohl macht trotz des schlechten Wetters täglich seine Spaziergänge. Wir haben auch diesmal wieder || bei Karl recht kaltes, unfreundliches Wetter getroffen, so daß wir schon seit mehreren Tagen nicht auf der Weranda sitzen können. – Wir denken heute über 8 Tage wieder heimzureisen. Hoffentlich bekommen wir hier noch einen Brief von Dir, ich sehne mich sehr darnach zu hören, wie es Dir, mein Herzens Sohn, geht. Von mir kann ich Dir nicht viel sagen; der Tod der Frau Lampert, die ich herzlich lieb hatte, ist || mir sehr nahe gegangen, und meine Gedanken sind viel bei dem armen Mann und den Kindern. –
Besprich doch mal mit Bertha, was ich etwa von Berlin noch mitbringen soll für Deine Wirthschaft?? Grüsse Deine Freunde von mir.
Dich umarmt in Gedanken
Deine
Dich so innig liebende
Mutter Lotte.
Bertha grüsse auch von mir.