Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 28. August 1854

28/8 54.

Mein lieber Herzens Ernst!

Deinen 2ten Brief habe ich vorgestern richtig erhalten, und da Vater erst Dienstag Nachmittag zurückkommen wird, so schreibe ich Dir diesmal allein; damit Du nicht zu lange auf Nachricht wartten mußt.

Auch veranlaßt mich dazu bald zu schreiben, weil ich Dich auf einiges aufmerksam machen wollte, was mir beim Lesen Deines Briefes auffiel. Du meinst Abends wär Dir Dein Kopf oft sehr warm; da || wollte ich Dich bitten, ja dafür zu sorgen daß Du täglich offenen Leib hast; das ist beim Seebade durchaus nöthig; mangelt es daran, so sprich ja lieber mit einem Arzt, auch wenn Du überhaupt glaubst Rath zu bedürfen, versäume nicht, die Gesundheit ist die Hauptsache. Dann sei nicht so hastig bei den Studien und Untersuchungen, daß Du Dich nicht zu sehr erhitzt; || Du mußt nur sorgen, daß das Bad Dir gut bekommt; lieber setze mal ein oder ein paar Tage aus, das Nordseebad ist stark. Dann denke nicht, daß Du jetzt alles sehn und ergründen mußt; mit Gottes Hülfe wirst Du öfter an die See kommen; und da ist es besser, nicht alles so mit Hast zu treiben, sondern hübsch gemüthlich lieber wenig zu geniessen; als sich von der Masse erdrücken zu lassen. – Dann mußt Du auch || Abends hübsch zeitig zu Bette gehn, bis um 12 Uhr mit den Fischern auf den Fischfang zu fahren, ist nichts für einen Badegast. –

Dann wollte ich Dich bitten nie allein zu baden, es kann ja einem mal was zustoßen, dann hat man keine Hülfe. Daß Du darin nicht vorsichtig bist habe ich daraus gesehen, weil Du mal lange hast wartten müssen, ehe sie Dich nach dem Baden abgeholt haben. Auch mußt Du gleich, wie Du ins Wasser kommst, || Kopf und Brust naß machen, dann friert Dich nicht so sehr, und Du wirst auch nachher weniger heissen Kopf haben. Sei nur nicht unwillig, daß ich Dir das alles schreibe, Du weißt ja mein Herzens Junge, wie ich in Gedanken immer bei dir bin; am Liebsten wäre ich es wirklich, alles mit Dir zu theilen und zu geniessen. Nun sei nur recht frisch und fröhlich, und komme uns recht gesund zurück. – –

Aus unserem letzten Brief wirst Du gesehn haben, wie es hier steht; und daß || Vater mit Adolph Schubert nach Kiel ist; gestern früh erhielt ich von Vater einen Brief; er hat leider den Peter Jessen nicht getroffen, sondern nur seinen Sohn, der ihn bei der Anstalt vertritt, der hat Adolph gleich aufgenommen; und gemeint nach einiger Beobachtung, es wäre die höchste Zeit gewesen, daß Adolph hingekommen sei. Doch Vater, den ich Dienstag erwartte wird Dir mehr darüber schreiben. –

Tante Bertha geht es noch immer nicht gut, || jetzt leidet sie sehr am Magen, die arme Seele. Vorigen Freitag kam Hermine mit Anna und Karlchen etc hier Abends erst gegen 11 Uhr an. Hermine ist das Bad sehr gut bekommen, sie sieht viel wohler aus und klein Karlchen hat sehr zugenommen, wenn Du hier wärst, würdest Du Deine Freude an dem Jungen haben; Großvater freut sich sehr über ihn. Hermine u. Anna lassen Dich schön grüssen. –

Von Karl ist heute auch ein Brief an Hermine angekommen; || er verlangt sehr nach Frau u. Kind; sonst ist er wohl. – – –

Heute Abend kommen Jacobis hier an; Helenchen wird wohl mita Anna in Deiner Schlafstube schlafen. Großvater fragt immer sehr nach Dir und freut sich wenn wir Nachricht haben, ich muß ihm Deine Briefe immer vorlesen. – –

Nun leb wohl, mein Herzens Sohn, Gott sei mit Dir! Sei gesund und fröhlich und denke fleissig an Deine Mutter.

a gestr.: bei; eingef.: mit

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.08.1854
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 36155
ID
36155