Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 2. – 6. Juli [1857]
Berlin 2/7.
Mein lieber Ernst!
Wenn Du mir schon täglich fehlst, um wie viel mehr habe ich es entbehrt, Dich gestern nicht bei mir zu haben.
Zwar wußte ich es, daß Du in Gedanken bei uns sein würdest; und ich habe auch Gott vielfach gedankt für das viele Gute, was mir geworden, und vor allem für die Freude, die ich durch die Kinder habe. Gott wolle || mir den Mann und die Kinder erhalten. Das ist ja mein größtes Lebensglück. Gestern hast Du mich noch recht überrascht durch das Panorama; ich danke Dir herzlich dafür, vorzüglich viel Freude hat Häckel daran. –
Viel schöne Blumen habe ich bekommen, die ich Dir gerne gegeben, aber recht leid thut es mir daß ich Dir nicht || mal ein Stückchen Geburtstagskuchen schicken kann, ich hätte es gar zu gerne gethan, finde es aber zu unsinnig, nun wir wollen es nachholen, wenn Du herkommst.
Nach Freienwalde habe ich eben abgeschickt. Gestern Abend waren wir bei Tante Bertha, die es sich nicht wollte nehmen lassen; sie gab eine stattliche Fete. Karl wird außer das Reisegeld Dir noch 50 Th mitbringen. ||
6/7. Nun mein lieber Ernst, muß ich mich noch gegen Dich über eins aussprechen was mir schwer auf dem Herzen liegt, und ich bitte Dich auch dies Blatt gleich zu zerreißen, wenn Du es gelesen hast, damit Karl es nicht sieht; es macht mir nämlich große Sorge, daß unser Karl doch oft was im Halse hat; und so hatte er auch bei seinem letzten Hiersein einen recht häßlichen Husten; ich wollte Dich nun dringend bitten, mein Herzens || Ernst, daß Du Eure Reise so einrichtest, daß er sich nicht dabei übernimmt; nehmt lieber beim Bergsteigen jemand zum Tragen der Sachen, es ist mir ja lieber, die Reise kostet etwas mehr, als daß Ihr Euch schadet. Nur laß Karln nichts von meiner Sorge merken; er ist ja so leicht hypochondrisch, aber Du kannst ja unvermerkt dafür sorgen, daß Ihr nicht zu angreifende || Touren macht. – Nun Gott geleite Euch auf der Reise; genießt es ungetrübt; aber seid auch nicht zu verwegen, das muß ich hauptsächlich Dir sagen. Vater hat vorläufig unsere Reise nach Warmbrunn auf den 18ten fest gesetzt, und wir denken Ende August wieder hier zu sein. || Pauline nehme ich mit, weil ich mich nicht gut allein helfen kann. Marie wird zu Hause gehn, ich schließe also die Butieke zu. Tante Bertha geht es jetzt nach ihrer Art mal recht gut; Gott gebe daß sie sich so hält. – Quincke wird übermorgen auf 4 Wochen verreisen. Onkel Julius wird mit seiner Frau, 4 Töchtern und || Anna Sethe am 12ten eine kleine Harzreise unternehmen. – Tante Gertrude ist in Töplitz. –
Nun leb wohl, mein Herzens Junge! Gott sei mit Dir! Behalte lieb
Deine
alte Mutter.
Mölders grüsse recht herzlich von mir.