Haeckel, Charlotte

127. Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin 18. Dezember 1852

B: 18/12 52.

Mein lieber Ernst!

Diesmal wirst Du unsere Antwort wohl etwas später erhalten, da mancherlei häusliche Unruh mich nicht zum Schreiben hat kommen lassen, und auch heute werde ich auch wohl nur ein paar flüchtige Zeilen schreiben können, da ich Berckens erwartete, die ich zu Weiß führen will, um von dort die Parade zu sehen. Denke Dir Deine Mutter geht zur Parade, das ist noch nie vorgekommen. Beim Empfang Deines Briefes freute ich mich│ sehr daß Du heiterer und zufriedener bist, halte dich nur auch hübsch so. Wirst du am Weihnachtsheiligabend mit Deinen Freunden zusammen sein. Ich denke ein Kistchen mit Naschwerk schon Montag früh für Dich abzuschicken, da ich nicht weiß wie lange es unterwegs bleibt, da packe es erst Heiligabend aus, baue Dir auf, und denke, daß Deine Eltern in Gedanken mit der innigsten│ Liebe bei Dir sind; und Gottes reichen Seegen auf Dich erflehen. Er gebe es, daß Du immer auf seinen Wegen gehst. Ich werde die 3 Schürzen von Berliner Gingang mit einpacken, da kannst Du wenn Du willst jedem der drei Mädchen eine geben; und brauchst Du sie nicht alle 3, so hebe sie auf; ich werde Dir dabei schreiben was sie gekostet haben. Bei Deinen Freunden kannst Du Dich ja erkundigen│ ob sie auch noch Geld dazu geben; zunächst bitte ich Dich aber dringend nimm eine andere Wohnung; wenn Deine Wirthsleute Dich nicht gerne wollen ziehen lassen, und Du auch bleiben willst, so mögen sie Dir eine andere gesündere Stube geben, übrigens siehe Dich vor, daß sie das auch wirklich ist; auf keinen Fall bleibe mir in der jetzigen, wir haben schon zu schlimme Erfahrung darin gemacht; Selbst, wenn Du Verlust dabei haben solltest, so ziehe aus, jetzt laß nur immer gut heizen daß die Stube trocken ist; aber gegen den Frühjahr wird‘s schlimmer. Wenn es sein kann, suche Dir eine Stube nach Süden; vielleicht ist die Frau Prof. Schenk so freundlich, Dir dabei behülflich zu sein. Hauchekorn war hier, bat Dich von ihm und dem ganzen Kränzchen zu grüßen, Du möchtest doch mal an das Kränzchen schreiben. – Wir haben nichts dagegen wenn Du Weiß und Weber das Buch schenkst, wovon Du schreibst, und Dir selbst auch! Zu dem Kuchen, den ich Dir von hier schicke denke ich die Odisse und was noch von Wäsche von Dir hier ist zu schicken. –

Beurtheilen kann ich es nicht, ich bin aber der Meinung daß Du doch dem Kränzchen│ beitreten solltest; wenigstens ist es kein Grund daß Dein Vortrag kritisirt werden würde; das mußt Du lernen ertragen; Du machst es so gut Du kannst und prüfst den Tadel, wo er gerecht ist, belehrst Du dich draus; auch muß man lernen ungerechten ertragen. Auf jeden Fall wünsche ich es sehr, daß Du den Umgang nicht meidest. – Du mußt auch suchen mehr Selbstvertrauen│zu gewinnen. Daß Du immer klagst, daß Du zu wenig siehst führt zu nichts, und ist undankbar gegen Gott, benütze nur die Gaben, die Du empfangen hast, und die Gelegenheit die Dir gegeben ist; studire wacker, sei frisch und fröhlich, und behalte lieb

Deine

alte Mutter

Die beiden Berkens werden heute mit Unzers bei uns sein. Aduje mein Herzens Sohn.

H: EHA Jena. Egh. Brief, 2 Dbl., 1 Bl., 22,7 x 14,3 cm, 8 S., Besitzstempel, Anstreichungen mit blauem Stift, egh. Vermerk Ernst Haeckels auf S. 5: „18.12.52.“ – D: ungedruckt.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.12.1852
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36116
ID
36116