Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 28. – 29. Mai 1871

Berlin d. 28sten Mai 1871

lieber Ernst!

Gestern hatte ich bestimmt gehofft, Du würdest Abends bei uns eintreffen, leider sahe ich denn Nachmittags aus Deinem Brief, daß Du erst am 15/6 kommen wirst.

Nun hätte ich gerne wenigstens einen Pfingstgruß an meine lieben Kinder nach Jena gesandt, aber dazu konnt ich nicht kommen, da ich viel im Hause zu thun hätte: mein Mädchen, die erst seit 14 Tagen bei uns ist, muß noch vieles lernen, auch ist ihr auch alles || noch neu. – Karl hatte versprochen einen Tag mit Clara und allen Kindern herzukommen, und hatten dazu den heutigen Tag bestimmt. Nun bekam ich vorgestern eine Kartte mit der Anzeige; daß sie von Jacobis mit den 4 ältesten Kindern zu Mittag geladen seien weil Mutter Minchen hier sei; zweimal könnten sie nicht kommen da würden sie uns die 5 jüngste Kinder bringen, und früh einige Stunden || bei uns sein. Nun kam alles noch anders: der kleine Karl kam gestern von Freienwalde an und übernachtete bei uns. Ich besorgte ganz früh alles in meiner Wirthschaft, um dann später ungestört mit ihnen zu sein. Um 10 Uhr wo ich sie bestimmt erwarttete, kam nur Anna, Marie, Heinerich und Ernst; und sagtena, der kleine Max sei die Nacht krank geworden, und dürffe nicht kommen; wahrscheinlich würde die Mutter auch zu Hause bleiben, die dann || doch noch mit Karl und den übrigen Kindern um 12 Uhr kamb. –

Clara ist mit Ernst um 5 Uhr heimgekehrt, die Uebrigen um 7 Uhr. Ich hatte mich sehr auf den kleinen Max gefreut, den ich seit der Taufe nicht gesehn habe. Nun wenn es nur weiter nichts zu sagen hat.

Von Karl und Clara habe ich wenig gehabt; Mutter Minchen war den ganzen Vormittag hier; sie will übermorgen wieder abreisen. – ||

Deine Versicherung, daß es Deiner Agnes etwas besser geht, erfreut mich sehr; gebe Gott, daß es an der Besserung bleibt. Wird Agnes in’s Bad gehn? und wohin? Mutter Minchen sagte mir ihre Schwester Berken habe gegen dasselbe Leiden Rehme mit gutem Erfolg gebraucht, und würde auch diesen Sommer wieder hingehn; der könntest Du ja Agnes empfehlen. ||

Montag. Gestern Abend war ich zu müde um diese Zeilen zu Enden, und doch sind meine Gedanken so viel bei Dir und den Deinigen. Hoffentlich erheitert Dich das schöne Wetter, und Du wirst doch nicht wie Du mir schreibst die ganze Woche verbringen mit Ordnen Deiner dalmatischen Schätze; die schöne Natur wirkt ja immer so wohlthätig auf Deine Gemüthsstimmung und so hoffe ich, daß Du auch in || diesen Tagen einige kleine Partieen unternommen hast. – Kann Agnes denn noch gar nicht in die Luft?

Karls Kinder waren alle wohl und sehr vergnügt; nach dem gestrigen Tage ist es heute bei uns sehr einsam und still, bin ich doch wieder allein auf mich selbst angewiesen. Deine Schwiegermutter Minchen sah wohl aus; klagte aber sehr wie angegriffen und matt sie sei; sie geht auf mehrere Wochen nach Landeck und dann nach Heringsdorf. Gertrud || soll es gut gehn, und was mich sehr freut, sie nährt ihr Kindchen selbst, darnach wird sie gewiß auch kräftiger werden. –

Vater grüßt mit mir Dich, Deine Agnes und die Kinder herzlich. –

Tante Bertha ist in Bonn, ich bekam Sonnabend von ihr einen Brief, es geht doch Auguste besser, sie geht auch wieder aus. –

Gott behüte Dich und Dein Haus.

Behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

a korr. aus: fragten; b korr. aus: kamen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.05.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 36077
ID
36077