Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 12. Juli 1862
Berlin 12 Juli 62.
Lieber Ernst!
Am Mittwoch kam Carl hier an und klagte, daß ihn ein Ausschlag an manchen Stellen des Körpers (meist kleine Pusten) quäle, auch Mimi und die Kinder seien davon inkommodirt. Er brachte die kleine Anna mit. Er gieng sogleich zu Quinke und dieser erklärte: daß Carl noch nicht abreisen könne, er könne den Ausschlag nicht mit ins Bad nehmen und ihn dort Wochenlang behalten, es müße hier etwas geschehen, die Kur werde ein Paar Tage dauern, dann könne Carl (und also auch ich) abreisen. Er verordnete sogleich Einreibungen und Bäder. Diese hat Carl einige Tage vorgenommen. Die Haut ist dadurch sehr geschunden geworden und das inkommodirt Carln sehr, er kann nicht recht sitzen, nicht recht gehen, sonst schläft und ißt er gut.
Unserer Reise hat sich dadurch verzögert und ich glaube nicht, daß wir vor Dienstag abreisen werden. Da nun aber Carl 4 Wochen Ems gebrauchen muß, so werden wir vor dem 16ten August nicht zurükkommen. Am 16ten wird wohl Polter Abend sein und am 18ten Deine Hochzeit. Es ist mir sehr unangenehm, daß die Sache so gekommen. Ich wollte 8 Tage vor der Hochzeit hier sein, um Dich noch etwas genießen zu können. Nun werde ich Dich nur kurze Zeit haben können. Du mußt Dich jedenfalls so einrichten, daß Du nach der Hochzeit noch 2 Tage hier bleibst.
Das Wetter ist fortdauernd schlecht, täglich mehrere Mahle Regen, unfreundlich auch wieder kalt, nachdem es mehrere Tage sehr warm gewesen. Carl dankt Dir für Deinen Brief, er wird Dir von Ems aus schreiben, wenn er wieder schreiben kann. Jetzt wird ihm wegen des Ausschlages und Einreibens das Schreiben schwer. ||
Carl ist bei Georg Reimer gewesen und hat ihn gesprochen. Reimer läßt Dir sagen: er wird sein Möglichstes thun, daß zur Hochzeit der Druk fertig ist. Die Korrekturbogen halten sehr auf, da darinn vieles geändert ist. Ferner läßt er Dir sagen: daß der Kolorist fertig sei und daß Du ihm die übrigen Probetafeln zum Koloriren schiken solltest.
Die Politica gehen grundschlecht, wenn man das darunter versteht, daß mit der Regierung und in der höchsten Instanz gar nichts anzufertigen [ist]. Die Freiheit ist kein Geschenk, das auf dem Kißen präsentirt wird, sie will erkämpft sein. Ohne diese Kämpfe werden die Kräfte, auf denen sie ruhen soll nicht lebendig. Wir dürfen uns nur streng innerhalb der Grenzen der Verfaßung halten, dann können wir alle Stürme, die man uns etwa bereiten mag, ruhig abwarten. Um das Ende bin ich unbekümmert, die Geschichte läßt sich nicht rükwärts schrauben, sie geht sicher ihren Gang vorwärts, aber nach vielen Umwegen.
Die kleine Anna ist bei uns und wird ebenfalls eingerieben. Mutter ist wohl und grüßt Dich herzlich.
Dein Alter
Hkl