Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, [Berlin], 8. November 1851

Merseburg, 8. Novemb. 51.

Mein lieber Ernst!

Deinen lieben Brief vom vorigen Sonntag haben wir erhalten und daraus ersehen, daß Du wohl bist. Das schlechte Wetter wird Deine Studien sehr begünstigen, sowie denn auch Carl ganz in sein Landrecht versunken ist. Mutter hat große Wäsche gehabt und ist immer noch mit den Einrichtungen des Quartiers und der Wirtschaft begriffen, auch ist sie bei dem schlechten Wetter wenig ausgegangen, wogegen ich täglich meine starken Touren mache. An den Vormittagen bin ich mit Lesen beschäftigt, gegen Mittag mache ich einige Besuche oder Besorgungen ab. Die Akten vermiße ich nicht. Ich lese jetzt ein Werk über Rußland, worin der rußische Despotismus vollständig und gründlicher auseinandergesetzt ist, als ihn H. Engel kennen gelernt hat. Es heißt: Rußland und die Gegenwart. – Ich sehne mich öfters nach dem Cirkel meiner a alten Freunde in Merseburg. Die hiesigen Freunde kann ich nicht so vereint sehen, wie dort. Sie wohnen zu zerstreut und sind schwerer zusammen zu bringen. Doch sind wir schon 2 Mahl im freundschaftlichen Abendcirkel gewesen. Gegen 9 Uhr Abendsb wird fast täglich zu Grospapa gegangen, und dort bis halbc 11 Uhr geblieben, was dem alten Herrn sehr convenirt. – Studire nur immer fleißig fort und lerne etwas Tüchtiges, das Uebrige wird sich dann schon finden. Nur ein ernsthaftes Streben, ein tieferes Eindringen in die Wißenschaft, ein geistvolles Auffaßen derselben, das ist die Hauptsache. Wir denken Deiner fleißig undd oft, insbesondere auch wenn es einen guten Bißen giebt, den wir Dir aber doch selten mittheilen können, solange nicht noch neue Erfindungen gemacht sind. – Vorgestern war Krukenberg hier, er geht vorläufig auf 6 Monat nach Wreschen im Herzogthum Posen. Auch Richter läßt sich gewöhnlich Montags sehen. e Im Anfang dieser Woche sind wir einen Abend bei Tante Jacobi gewesen, wo der alte und junge Saluskovsky waren. Heute Mittag gehe ich als Gast von Julius in die gesetzlose Gesellschaft. Mutter ist in die Stadt gegangen, einzukaufen. Es hat hier schon tüchtig geschneit, der Schnee ist aber wieder geschmolzen. Mimi ist wieder in Stettin und leidet noch am Schnupfen, sie wird Dir nächstens schreiben. Carl ist manchmal ein bischen hypochondrisch wegen des Examens wie Du, ihr müßt euch aber alle Beide keine graue [Haare] darüber wachsen lassen. Man thut das Seine, übrigens Gott befohlen. Empfiehl mich Herrn Osterwald bestens und danke ihm in meinem Namen, daß er Euch Abends manchmal etwas vorliest. Das erheitert das Leben. Vernachläßige die Bewegung nicht, wenn es gutes Wetter ist. Der schlechten Tage sind so in jetziger Jahreszeit genug. – Mutter gedenkt Dir nächstens zu schreiben. Denke fleißig Deiner Eltern

Dein

Dich liebender Vater

Haeckel

a gestr.: meiner; b eingef.: Abends; c eingef.: halb; d eingef.: und; e gestr.: Vorigen M

Brief Metadaten

ID
35977
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
08.11.1851
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
21,9 x 27,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35977
Zitiervorlage
Haeckel, Carl Gottlob an Haeckel, Ernst; Berlin; 08.11.1851; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35977