Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 23. Februar 1852, mit Nachschriften von Charlotte und Karl Haeckel
Berlin 23 Febr. 52.
Mein lieber Ernst!
Deine letzten Briefe über Deinen Geburtstag haben uns sehr erfreut. Bewahre Deinen kindlichen, reinen Sinn, Dein liebendes Gemüth, Deine religiöse Ansicht der Welt und Deiner Verhältniße, sei fleißig und brav, dann wird sich das übrige von selbst finden. Die Liebe Deiner Eltern wird sich dann nie von Dir wenden und Dua wirst immer bei ihnen Hülfe und Unterstützung finden. Du athmest nun schon etwas leichter, seitdem Du weißt, daß Deine schriftlichen Examenarbeiten approbirt sind, das mündliche wird sich auch machen, ängstige Dich nur ja nicht ohne Noth. Carl hier pisackt in einem fort in seinem Jus, er sieht schmal aus und der Bart wächst ihm, er sieht mitunter aus wie ein Gefangener, der lange keine frische Luft genoßen. Er wird sich nun wohl in 8 Tagen zum Examen melden und es dann wahrscheinlich anfangs April machen. Das ist eine schwere Zeit für ihn, die aber durchgemacht werden muß. Wir haben vorige Woche allerlei gehört und gesehn, die Antigone, die uns sehr gefallen hat, am Sonnabend eine Vorlesung von Direktor Ranke über Sophokles, die auch recht intereßant war. Am Freitag eine Vorlesung von Sydow über den reformatorischen Beruf Christi. So giebt es hier mancherlei geistige Erquickungen. Ich selbst lese die philosophischen Schriften von Cicero in der Uebersetzung, Neanders Geschichte der Gründung der christlichen Kirche durch die Apostel. Daneben mache ich Besuche bei meinen Freunden und bespreche mit Ihnen Politik, Philosophie, Religion, so daß es mir an geistiger Erfrischung nicht fehlt. Jetzt, da die Tage länger geworden sind, kann ich meine Promenaden schon bei Tage vollenden, was mir sehr angenehm ist. Vor 14 Tagen war Pastor Naumann aus Langendorf hier, der mehrmals bei uns gegeßen b und der sich hier sehr umgesehen hat. Nun sehen wir bald Deiner Ankunft entgegen und freuen uns sehr darauf. Dann wollen wir recht zusammen spatzieren gehen und allerlei zusammen sehen. Den beiliegenden Brief an Wiek kannst du erst lesen, dann siegeln und ihm sodann einhändigen. Grüße Osterwalds recht herzlich von uns, auch Karos und Kathens. Der böse schlechte Winter wird nun wohl bald überstanden sein.
Dein dich liebender Vater
Haeckel ||
[Nachschrift von Karl Haeckel]
Lieber Bruder.
Schönsten Dank für Deinen Brief u. für Besorgung der Gesetz Sammlung pp. Sieh doch einmal zu, ob Du das Inhaltsverzeichniß und ein ausführliches Sachregister von beiden erhalten hast. Ich glaube letztres kommt erst noch heraus für die Gesetzsammlung – Du mußt dann noch, ehe du abreist, bei der Post Dich erkundigen ob es erschienen ist.
Auch vergiß nicht, vor der Abreise die ausgeliehenen Bücher einzufordern und Deine Pflanzenarbeit, die Osterwald verschickt hat. Die beiden Schweizerbilder bringst Du wohl mit hierher.
Der Preis des Reineke Fuchs ist Netto Preis Du hast also keinen Rabatt abzurechnen bei Einzahlung des Betrags.
Ade. Komm recht bald.
Dein Karl
[Nachschrift von Charlotte Haeckel]
Mein lieber Herzens Sohn!
Da ich Wäsche habe, wie Du weißt ein großer häuslicher Actus, so kann ich Dir heute nur mit flüchtigen Worten sagen, wie sehr ich mich über Deinen || Brief gefreut habe. Da ich doch hörte wie Du Deinen Geburtstag verlebt hast; ich war in Gedanken recht bei Dir. Nun freue ich mich schon recht auf die Zeit, wo ich Dich wieder bei uns habe. Gott gebe uns ein fröhliches Wiedersehn; nimm Dich noch ja recht mit dem Knie in Acht, wenn es noch bei dem jetzt eingetretenen Winter sollte Eisbahn geben, so gehe lieber nicht hin, du mußt sorg- || sam jede Erkältung meiden. – Tante Bertha geht es leidlich, im Ganzen in den letzten Tagen nicht sonderlich. – Solltest Du nach Halle kommen oder sonst August Sack treffen, so bedanke Dich bei ihm, daß er nicht auf die beiden von Dir gewünschten Bilder geboten hat, sonst hättest Du sie schwerlich bekommen, denn der hätte mehr geben können als ich. –
Mit herzlicher Liebe umarmt Dich
Deine Mutter.
a eingef.: Du; b gestr.: hat