Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte

Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 22. August 1855, mit Nachschrift von Charlotte Haeckel

Berlin 22 August 55.

Deinen Brief aus Hallstadt haben wir heute früh erhalten. Er hat uns große Freude gemacht, weil Du von den Alpen so beseeligt bist. Wir verfolgen Deine Reise auf der Charte, die aufgeschlagen vor uns liegt. Diese Zeilen sollen Dich in Berchtesgaden treffen. Unsern ersten Brief vor einigen Tagen hatten wir nach Salzburg addreßirt. Du mußt nur fleißig auf den Postämtern anfragen und a auch Anstalt treffen, daß Dir die etwa später ankommenden Briefe nachgeschikt werden. – Die Verherrlichung Gottes in der Schönheit der Natur wirkt doch äußerst wohlthätig auf das Gemüth und gewährt großen Genuß. Daß Du so viel Regen gehabt hast, ist Schade, wir haben hier gleiches Wetter gehabt, es ist ein schlechter, naßer Sommer. Ich bekam in diesen Tagen eine Anwandlung von Diarrhoe und habe 24 Stunden zu Bett liegen müßen. Mutter wird noch immer sehr von Juken geplagt, aber im Ganzen geht es langsam vorwärts, sie braucht jetzt Sassa parilla und fühlt sich im Ganzen sehr angegriffen, Quinke mag also ganz recht haben, wenn er nicht zur Zittmannschen Kur schreiten will. Der Ausschlag näßt nicht mehr so, er wird trokner und hat auf den Armen und Beinen sehr abgenommen. Nur die Geduld darf man nicht verlieren, die manchmal durch das peinigende Juken und Brennen auf die Probe gestellt wird. Nimm aber auch Du Dich auf eine vernünftige Weise in Acht, vermeide die Choleraorte, diese Krankheit scheint jetzt wieder die Ronde zu machen und auch in Italien ihr Wesen zu treiben. Nimm Dich ja vor zu großer Erkältung in Acht und wenn ja etwas vorkommt, so ergreife gleich ernstliche Mittel. Quinke hat mich wahrscheinlich darum liegen laßen, weil es auch hier mit der Cholera nicht ganz richtig ist. Dein Plaid wird Dir gut thun und außerdem mußt Du in den Gebirgen einen tüchtigen Regenschirm haben. In Tyrol trägt ihn jeder Bauer. Hüte Dich vor aller Knickerei; was Deine Gesundheit und Dein Wohlsein betrifft, laß Dir nichts abgehn. Daß Du in Linz von Hℓ. Ehrlich so gut aufgenommen worden, hat uns sehr gefreut. Nun wirst Du auch in Salzburg sehr schönen Genuß gehabtb haben! Nach Italien wirst Du wohl schwerlich kommen, Du wirst in den Alpen hinreichend Genuß haben. Reise nicht ohne Gesellschaft dahin und ziehe vorher Erkundigung wegen der Cholera ein oder wenn sie Euch auf den Hals kommt, so geht ihr aus dem Wege. Im Süden scheint man mit der Behandlung dieser Krankheit noch sehr zurük zu sein. –

Das schlechte Wetter verdirbt auch in hiesiger Gegend vieles, besonders das Einbringen der Erndte. –

In Ziegenrück will Carl noch größere Gewißheit über seine Versetzung haben, ehe er sie öffentlich bekannt macht. Er hat nehmlich an den Minister geschrieben, daß er die Freyenwalder Stelle annehme und erwartet nun die weitere Verfügung. Wir nehmen die Sache als gewiß an, Carl will nun aber noch nähere Bestimmung haben und wir sind hier dahinter her, daß er diese erhält. Andererseits rumort auch bei uns schon das Kapitel über den Umzug ins neue Quartier, der in 5–6 Wochen erfolgen wird. Da wird es viel Unruhe geben und es trifft sich sehr schlimm, daß dann Mutter noch nicht ganz wohl sein kann, wenn es sich auch unter Gottes Hülfe bis dahin hoffentlich gebeßert haben wird. Es ist sehr möglich, daß Hermine mit den Kindern Ende October vorauskommt und einige Zeit bei uns wohnt, das wird dann viel Leben sein. –

Richthofen war vor einigen Tagen bei uns. Der Militärdienst bekommt ihm gut und er muß jetzt auf 5 Wochen in die Gegend von Frankfurt a/O zu den Mannövers. Er bedauert sehr, daß Du diesen Winter nicht herkommst, und zeigt große Anhänglichkeit an Dich. Weiss ist ins Hirschberger Thal, wir wollen ihm gutes Wetter wünschen. Sonst wüßte ich Dir heute nichts zu schreiben.

Dein Dich liebender Vater

Hkl

Mit Tante Bertha geht es sehr gut. Sie geht auf Krücken umher. Anna besucht uns täglich.c ||

[Nachschrift von Charlotte Haeckel]

Ohne Gruß und Kuß, mein Herzens Sohn, kann ich Vaters Brief nicht abgehen lassen, obgleich meine Augen mir nicht erlauben viel zu schreiben. Wie freue ich mich, daß es Dir bis jetzt so gut geht auf der Reise. Gott sei ferner mit Dir, er behüte Dich und nehme Dich in seinen heiligen Schutz. Deine Mutter betet für Dich und denke Du auch fleissig an

Deine

Dich so innig liebende

Mutter

L. Häckel

geb. Sethe.

Johannes Bleek geht bald nach Bonn zurück, und Karl Sethe und Theodor Bleek zum Manöver.

a gestr.: Du; b eingef.: gehabt; c Beschluss auf dem linken Seitenrand: Mit Tante Bertha … uns täglich.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
22.08.1855
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35895
ID
35895