Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte

Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 29. Juni 1857, mit Beischrift von Charlotte Haeckel

Berlin 29 Juni 57.

Mein lieber Ernst!

Dein Brief vom 26sten kam grade gestern als Carl hier war. Du erhältst nun Carls Antwort darauf und mögt Ihr nun Euern Reiseplan feststellen. Louis Mulder und Frau dürft Ihr nicht ganz im Stich laßen, wenn sie auch nur einen Theil der Reise mit Euch machen. Auch sollst Du keine Noth leiden. Carl bringt Geld mit. Nun wünschen wir Euch gutes Wetter.

Ich werde mit Mutter nach dem 15ten Juli von hier abreisen, so daß ich noch vor dem 20sten in Warmbrunn eintreffe. Dort bleiben wir 4 Wochen u. machen dann noch auf dem Rükweg, wenn alles geht, wie es gehn soll, eine Tour über Landeshut, Salzbrunn, Freyberg nach Breslau, von da auf dem Rükweg wünsch ich Vetter Gottsching und Steinbek bei Striegau und Liegnitz zu besuchen, in Liegnitz setzen wir uns auf die Eisenbahn und wollen spätestens Ende August wieder hier sein. Im Monat September hat Mutter wegen des Umzugs viel zu thun. Du wirst wohl mit Carl auch erst den a 31sten hier eintreffen. Die Hochzeit bei Passows soll in den letzten Tagen des August, die von Lotte Passow einige Tage später sein.

Wir haben hier große Dürre, seit 2 Monat fast gar keinen Regen, das Getreide versengt auf den Feldern und wir werden im nördlichen Deutschland eine schlechte Erndte haben. Nach dem Rhein zu und in Westphalen wird es beßer, auch im Schlesischen Gebirge sollen sie öfters Regen haben. Adolph Schubert hat eine Reise durch Meklenburg Hannover und den Harz gemacht und ist jetzt wieder in Hirschberg.

Ich habe seit 6 Wochen in lauter Kriegsgeschichte gelebt. Nun bin ich mit der Beschreibung der Campagne im Jahr 1814 in Frankreich fertig. Ich habe viel nachlesen und vergleichen müßen, um mir über jede Schlacht und || jedes Treffen einen richtigen Begriff zu machen. Ich habe dadurch alle die Begebenheiten, von denen ich Augenzeuge gewesen bin, erst recht verstehen gelernt. Darum ließ es mir auch keine Ruhe bis ich im Klaren war.

Ich wünsche Dir und Carl schönes Wetter. Das ist doch ein großer Vorzug in Wien: die b Alpen so in der Nähe zu haben. Es ist indeß auch hier zum aushalten, so heiß und troken es ist. Ich gehe alle Morgen gegen 7 Uhr im Thiergarten mit Kühne und jetzt auch mit dem Geheimen Rath Ritter spatzieren. Die innern Plätze sind noch grün. Aber die äußern Plätze sind zum Theil ganz verdorrt wie z. B. ein Theil des Exerzierplatzes, da man nur einen Theil zu besprengen versucht hat. Ein zwei Monat dauernder Nordostwind hat alle Feuchtigkeit weggetroknet. Dabei waren die Morgen zum Theil sehr kühl. Claparede hat uns manchmal besucht, er befindet sich jetzt ziemlich wohl. Gestern war die Geheime Räthin Weiss den ganzen Mittag und Nachmittag bei uns. Sie läßt Dich herzlich grüßen. 2 Gebrüder Schlagintweit sind aus Ostindien zurük. Sie haben sich nur wenige Tage hier aufgehalten, wo sie fast nur bei Humbold gewesen, der sehr munter und lebendig ist. Jetzt machen sie dem König in Marienbad einen Besuch und von da gehn sie sogleich nach England.

Mutter ist ziemlich munter, sie klagt nur viel über Müdigkeit. Den Geburtstag Abend wollen wir bei Bertha feiern. Für heute genug. Ehe wir abreisen, erhältst Du noch einen Brief.

Dein Alter

Hkl ||

[Beischrift von Charlotte Haeckel]

Mein lieber Herzens Ernst!

Den aller schönsten Dank mein lieber Sohn, für Deinen lieben Brief und Deine Wünsche; deren Erfüllung wir Gott überlassen müssen, der möge auch meinen innigsten Wunsch für dieses Leben erfüllen, daß er mir das Glück im Besitz meiner lieben Kinder erhalte, und es beiden gut geht. Er möge Euch auch auf Eurer Reise schirmen und schützen; aber seid auch vorsichtig, genießt es recht, aber vernachlässigt Euere Gesundheit nicht. Ich || glaube Karl muß sich nicht zu viel bücken, auch jetzt hat er wieder einen häßlichen Husten. –

Wenn Du ein Fernglas brauchst, und Du glaubst, es in Wien am beßten zu kaufen, so thue es. Von Louis Mölder kannst Du Dir wohl Geld vorstrecken lassen, Karl wird Dir welches mitbringen; auch Regenschirm, Socken. Wenn du sonst was noch wünschst, so schreibe es nur beizeiten. –

H. v. Marthens, || der Dich herzlich grüssen läßt, hat mir zwei Defentationen gebracht, die dritte habe er schon verschenkt; Häckel hat mir seine auch gegeben, so habe ich nun 9 schon beisammen, und ich denke wir werden sie wohl noch zusammen bringen. Hast Du etwa auch an Weber noch welche zum Vertheilen gegeben? Oder an sonst jemand, von dem man sie zurück fordern könnte. H. v. Martens sagte || mir, er habe gehört man könne vom Pedell der Universität Defentationen kaufen, das finde ich thut man nur im Nothfall, es ist doch eigendlich wunderlich, die Sachen, die man bezahlt hat, wiederzukaufen. Andern Theils muß man beim Zurückfordern vorsichtig sein, daß sich niemand Hoffnung auf die teutsche Arbeit macht, denn davon bekommst Du so wenig Exemplare, daß man recht wählen wird, wer sie erhalten soll. – – ||

Lotte und Luise Passow waren gestern früh hier, und meinten es wäre noch nicht bestimmt ob die Hochzeit Ende August oder Anfangs September sein würde; aber mit Unterbrechung weniger Tage wird Lottens bald nach Luisens sein. F. Professor Weiß sagte mir nun; die alte Seebeck habe ihr gesagt, Luisens Hochzeit würde nach dem 28sten August am Geburtstag der Mutter sein. Ich denke über das zu machende Geschenk könnten wir uns noch besprechen. Wenn Du nicht hier bist, brauchst Du keins zu machen, wenn Du es aber doch willst, so ist es auch noch Zeit nachträglich, wenn Du wieder hier bist; denn Du wirst sie doch wohl jedenfalls hier treffen; Beckmann macht mit Luise keine Hochzeit Reise weiter, sondern sie gehen direkt nach Bonn, weil Beckmann wünscht eingerichtet zu sein wenn die Naturforscher sich am 16ten versammeln. || Nun leb wohl, lieber Herzens Sohn, Gott sei mit Dir, halte Dich gesund und behalte lieb

Deine alte

Mutter.c

a gestr.: 21sten; b irrtüml. Dopplung: Nähe und; c Text weiter auf S. 2 unten: Nun leb wohl … alte Mutter.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
29.06.1857
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35878
ID
35878