Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 27. Oktober 1862
d. 27sten
Lieber Ernst!
Der Brief vom Vater ist bis jetzt liegen geblieben, weil wir von einem Tage zum andern von Euch den versprochenen Brief erwartteten, leider ist aber keiner gekommen, gestern hoffte ich bestimmt als Sonntagsfreude Nachricht von Euch zu bekommen. Nun schreibt uns nur recht bald, wie Ihr lebt und Euch eingerichtet habt, wie geht es mit Deinen Vorlesungen? Wie viel Zuhörer hast du? ||
Nach Berthas Geburtstag hätte ich Euch gar zu gerne ein Stückchen Brathen und Kuchen geschickt, aber ich fand es doch zu törigt, bei der Entfernung macht doch das Porto zu viel. –
Tante Bertha ist vorigen Mittwoch nach Halle zu Drianders gereist, wo sie 8 Tage zu bleiben gedenkt. –
Gestern besuchte uns der Assessor Voswinkel mit seiner Frau (Mariechen Sethe), ihre Hochtzeit ist den 14ten October ge-||wesen, sie sind auf der Reise nach dem Herzogthum Posen, wo sie hinter Schneidemühl ihren Wohnort, dessen polnischen Namen ich vergessen habe, nehmen werden. Sie erkundigten sich sehr nach Euch, und lassen schön grüssen. Gestern früh besuchten auch die Dr. Klostermann, deren Sohn mir sagte, er habe Euch in Dresden gesehn. Gestern Abend war Tante Gertrude hier, die theilte uns Briefe mit aus Aurich, von Gotien [?] aus || dem Harz, von Theodor Bleek aus Bonn und ein Tagebuchbericht aus Bonn von Mariechen, die krank gewesen ist. Vorgestern traf ich die beiden Ortmannschen Töchter im Laden, sie grüssen Euch herzlich. Wenn ich alle für Euch erhaltenen Grüsse schreiben sollte, so fänd ich kein Ende. Also lieber, Lebewohl, haltet Euch gesund und denkt auch mit unter an
Euere
alte Mutter.
Ueber Karls Hiersein habe ich mich diesmal ganz besonders gefreut, da er so gesund aussah, und ich nichts von dem fatalen Husten merkte; als er von Ems kam, sah er so sehr elend aus, das werdet Ihr in Euerer Hochtzeitsseeligkeit nicht gesehen haben. Wie Helehne mir sagt, wird Mutter Minchen wohl Ende dieses Monats herkommen, und bei || Helehnen wohnen.