Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Anna und Ernst Haeckel, Berlin, 3. Oktober 1862

Berlin d. 3 Oct

Liebe Kinder!

Vorgestern erhielt ich Eure lieben Briefe, die ich gleich an Vater nach Freienwalde geschickt habe. Recht leid thut es mir daß Anna sich in München erkältet hat. Bei dem jetzigen schönen Wetter wird es hoffentlich bald besser. Ich bitte Euch dringend sorgt dafür, daß Anna die Erkältung nicht mit in den Winter hinein nimmt; auch beim Einräumen der || Sachen und Einrichten der Wohnung meidet nur so viel als möglich allen Zug. Recht leid thut es mir, daß Ihr so spät Eure Sachen bekommt. Helehne hatte mir gesagt die Sachen würden Dienstag durch den Fuhrmanna und spätestens, wenn der Fuhrmann nicht früher könnte, Donnerstag zur Bahn gebracht werden, und sollten dann auch von ihr und mir die Sachen || für Euch abgeholt werden. Ich habe nun von einem Tag zum andern gewarttet und es ist nichts gekommen. Da ging ich heute früh dann zu Helehnen, die auch nicht wußte, woran es lege, die Frau Peters habe es ihr doch ganz fest versprochen, Helehne wollte nun gleich wieder hin schicken, da August nicht gewollt, daß sie selbst ginge, weil sie erkältet ist. Ich entschloß mich nun gleich, wenigstens meine Sachen direkt || über Apolda zu schicken, ging deshalb gleich auf den Bahnhof und besorgte alles, schickte die Sachen heute Nachmittag mit einem Fuhrmann hin, und es ist mir versprochen worden, daß es morgen früh um 5 Uhr abgehen soll. Ihr erhaltet also

1) die Betten, ich habe noch einen starken Ueberzug drüber genäht. Die Betten sind drunter in einen Matratzenüberzug gepackt, in || den könnt Ihr Stroh oder Heu stopfen und Betten drauf legen. Dann wirst Du, mein lieber Ernst darauf doch besser liegen, als auf dem Sopha, wo Du Deine langen Beine nicht ausstrecken kannst. Dann folgt

2) Dein Koffer worüber ich auch einen Bezug genäht habe. Den Schlüssel zum Koffer werde ich hierbei schicken. Beim Auspacken sei vorsichtig || in den grauen leichten Sommerrock habe ich das Straussenei gewickelt. Unten im Koffer ist auch die neue fertige Decke von Tante Bertha und das große Damast Tischtuch.

3) Drittens kommen 3 Kisten mit, die kleinste ist die, die der Glaser geschickt hat; in der 2ten ist alles Tischzeug und Bettzeug; und in der dritten Bücher etc etc. || Die Fracht für diese Sachen bringt mir in Rechnung, ich wollte es nicht frei machen, weil ich dachte es käme so sicherer an. Ich wünsche nun, daß Ihr bald alles bekommt um in Ordnung zu kommen. Die Schnalle von der weißen Weste habe ich vor der Wäsche abgemacht, und Du findest sie in ein kleines Pappkästchen. –

Tante Julchen von Unzer ist wieder hier, sie kam grade als ich Euch schreiben || wollte, dann war Gertrude den Abend hier und so habe ich dies erst nach 10 Uhr schreiben können, da es auch möglich war, daß Häckel heute Abend zurückkommen könnte, da es aber schon auf 12 Uhr geht, so wird er wohl erst morgen kommen. Nun nur noch eine gute Nacht von

Eurer

alten Mutter

Lotte

Das Silber denke ich erst zu schicken, wenn ich weiß, daß Ihr was zum Verschliessen habt. ||

Habe ich es Euch denn schon geschrieben, daß Eduard Voswinkels Verlobung aufgehoben ist, er hat sie so mit religiösen Ansichten gepeinigt, daß ihr angst und bange geworden ist. – –

Sonnabend Diese Zeilen ließ ich liegen, wenn etwa Vater früh käme, da kam eben Dein Brief ich schickte ihn gleich zu Helehne, die auf dem Sopha gelegen hat und auf Deinen Brief geschrieben hat, ich schreibe daher das Zettelchen für Euch || ab. Das scheint nun einmal mit den Sachen alle die Quere zu gehn; Helehne hat viel Schererei und Lauferei gehabt; die Leute scheinen gar nicht zuverlässig; denn nun scheinen doch die Sachen ganz mit dem Möbelwagen zu gehn. – Freilich ist es auchb Eure Schuld, daß Ihr nicht hören wollt, es war Euch hier genug gesagt, daß zeitig alles bestimmt werden müsse, wegen der Ziehzeit, ich habe gestern solche Lauferei gehabt um jemand aufzutreiben, der die Sachen bis zur Bahn brächte. ||

Tante Auguste ist nach Aurich und Bremen. Theodor wird am Rhein bleiben, er denkt am Gericht in Ehrenbreitstein schneller fort zu kommen. Heute Nachmittag haben wir Quinkes in ihrer neuen Wohnung besucht die recht schön ist. Tante Julchen v. Unzer ist hier, und schon einigemal bei uns gewesen, sie jammert mich sehr, sie scheint sich doch sehr verwaist zu fühlen. Gestern kam sie als auch Tante Gertrud u. Bertha zum Kaffe gekommen || waren, die sie hatte besuchen wollen und nun hier aufsuchte. Sie hatte keine gute Nachricht, ihr Schwager Karl war schwer erkrankt auf der Dornburg. Vater grüßt Euch mit mir aufs herzlichste, seid guten Muths, und schreibt mir nun recht bald, wie es Euch geht, ob Anna wieder gesund ist? Seid ihr noch auf der Ziegelei oder im neuen Quartier.

Mit herzlicher Liebe

Eure

alte Mutter

Lotte. ||

Für Ernst

1) Beim Glaser bezahlt laut Quittung 6 Th 3 pf

2) In die Tasche des Deckels vom Koffer stecke ich die Quittung u. sonstige Pappiere

3) In meiner Truhe liegen von Dir

a) ein Paket Bücher vom Goetheverein,

b) 1 Paket, worauf steht: Farbkasten von Ernst; soll dies beides mit nach Jena.

Hierauf antworte gelegentlich, ich denke Deine Sachen, die ich habe, erst abzuschicken, wenn Ihr zurück seid, und bestimmt wann? ||

Soll die Bücherkiste die auf dem Boden steht mit nach Jena? Handwerkssachen habe ich durch Karl für Dich kaufen lassen, die werde ich noch vor unserer Abreise durch die Post nach Jena schicken, damit ihr es dort findet. –

Nun, lebt wohl, seid heiter und gedenkt mit Liebe an

Eure

alte Mutter

Lotte. ||

Indem ich den Brief zumachen will, kommt eben August, sagt der Fuhrmann habe heute früh um 8 Uhr dort die Sachen abgeholt und gesagt, die Möbel gingen heute ab zu Wagen. August meinte nun, ob ich hinfahren wollte und sagen, wenn sie noch nicht weg wären, daß sie dann zur Eisenbahn gebracht werden sollten, ich halte das nicht für gut, die Sache ist einmal so verfahren, daß man es muß gehn lassen, sonst riskirt man es noch zu verzögern; auch kennen mich die Leute gar nicht, was sollte das helfen. ||

Dem

Herrn Professor

Häckel

zu

Jena

Frei

Einliegend ein Schlüssel.

a eingef.: durch den Fuhrmann; b eingef.: auch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.10.1862
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35384
ID
35384