Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Berlin, 7. November 1869
Berlin d. 7ten Novbr. 69.
Liebe Kinder!
Herzlichen Dank für Euere lieben Briefe, aus denen ich zu meiner großen Freude sehe, daß Ihr alle drei wohl und zufrieden seid, und daß Ihr ana Agnes Geburtstag heiter gewesen seid. Immer muß ich mir aber Euere Briefe wieder lesen, weil ich gerne mehr von unserem Liebling wissen möchte.
Was macht denn der kleine Schelm? läuft er? und spielt er schon mehr? Ich bin doch recht froh, daß ich den lieben Jungen hier gehabt habe. ||
Wenn Ihr in Jena solch schlechtes Wetter habt, wie wir hier, dann kann Walter wohl gar nicht herauskommen, und das Stubenhocken wird ihm wenig gefallen. Nehmt mir nur den lieben Jungen recht in Acht; besonders vorsichtig seid beim Ostwind. Ist denn sein Husten endlich vorüber?? –
Hier haben wir immer Regen, Schnee, Hagel und gewaltigen Sturm, so daß Vater heute nicht fahren konnte. Im Ganzen ist Vater jetzt wohl. – – – ||
Vorigen Donnerstag waren Karl und Clara bei uns zu Mittag, ich hatte Prediger Lisco mit Frau und ältestem Sohn und Tochter gebeten und Tante Bertha, es war recht nett. – Heute kurz vor Tisch kam Karl, der zum Begräbniß des alten Bonin hergekommen ist, er blieb bei uns zu Mittag, und da er noch einige Tage hier bleiben muß, wird er morgen unsere Logirstube benutzenb. So kommt unerwarttet etwas abwechslung in unser so stilles, einförmiges Leben. – Tante Gertrude ist noch oft unwohl, und macht mir Sorge. ||
Tante Bertha hat jetzt Klärchen Peters bei sich, die hier die Schule besucht, zu gestern Nachmittag hat Tante Bertha Anna und Marie aus Potsdam gebethen, die trotz dem fürchterlichen Wetter gekommen sind; Tante Bertha ist gestern Abend mit den 3 Mädchen in Schneewitchen gewesen; heute Abend sollen die Potsdammer wieder heim. – Ach, wenn ich Euch doch auch so schnell hier haben könnte! Grüßt die liebe Mutter und Clara herzlich; und Ihr meine drei Lieben seid auf’s innigste umarmt von
Euerer
alten Mutter Lotte. ||
Schreibt mir doch was Ihr ausgelegt habt für die gesandten Rebhühner und Wurst? damit ich es in unserer Anrechnung notiere.
Bei der Wäsche neulich habe ich 2 Windeln von Walter gefunden und ein Taschentuch von Ernst; soll ich es gleich schicken oder gelegentlich, wenn sonst was geschickt wird, oder kann es bleiben, bist Du, lieber Ernst herkommst? Von Dir lieber Ernst habe ich im Bett ein Nachthemde gefunden, was ganz zerrissen war; ich habe es || waschen und flicken lassen; solch zerrissene Wäsche mußt Du nicht tragen. –
Vater grüßt schön.
a eingef.: an; b korr. aus: besuchen