Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 25. Januar 1897

Potsdam 25 Januar

1897

Lieber Bruder!

Bevor du mit den Deinigen die Reise nach Italien antrittst, will ich Dir doch noch ein Lebenszeichen von mir senden, der ich seit fast 8 Tagen wegen Katarrh (das übliche Wintervergnügen!) einsitzen muß. Es ist ja grad nicht schlimm damit, aber ich bin doch genöthigt, bald gegen solches Uebel einzuschreiten, damit es nicht weiter einreißt!

Vorher war ich noch mit Heinz auf seinem Durchreisetag, 14t dieses Monats, bei Tante Bertha zusammen, wo auch Hahn’s, Georg’s u. mein Ernst waren. Heinz war ganz aufgeräumt, hat nachher sich noch mit Hülfe von Marie Leinenzeug in einer Berliner Handlung ausgesucht und läßt am nächsten Mittwoch die Schwester zu weiterer Einrichtung nach || Stettin kommen. Hoffentlich findet er sich dort bald behaglich. In reichliche Arbeit ist er sogleich hineingekommen.

Mein Georg hat am Freitag seine Frau, die ein skorbutartiges Leiden haben soll, nach einer Heilanstalt Königsbrunn bei Königstein in Sachsen gebracht u. ist, hoffentlich ohne Stekenbleiben im Schnee, gestern zurückgekommen nach Berlin. Er wird nun wieder auf einige Wochen Strohwittwer sein, muß aber seinen Fuß immer noch orthopädisch behandeln lassen. Es hat sich bei der Besichtigung durch Heinz herausgestellt, daß der Knochenbruch schief geheilt ist, der Erfolg einer nochmaligen Operation (Wiederzermeißlen des geheilten Knochens) von zweifelhaftem Erfolg und es daher gerathener ist, nur die Schmerzen, die das Auftreten erzeugt, || möglichst zu beseitigen. Für den rüstigen Läufer u. Bergsteiger immer eine harte Erfahrung, dauernd einen für größere Touren ungeeigneten Fuß zu behalten.

Ernst hat bei mir Bäume geschnitten und ist jetzt zu gleichem Zweck im Arnswalder Kreise. Seiner Frau geht es jetzt leidlich; sie darf und soll sich viel Bewegung machen. Die Schwiegermutter ist bereits wieder zur Hülfe in Züllichau.

Bei Tante Bertha war am Sonntag vor 8 Tagen, dem 17t dieses Monats, Familienessen zu Ehren des Brautpaar Bernhard Petersen (des Patent-Ingenieurs) u. Frl. Mariannita Bromberg, die mit ihren Eltern aus Hamburg zum Wohnung aussuchen pp. nach Berlin gekommen war. Die Braut und Familie haben uns in ihrem einfachen, natürlichen Wesen recht wohl gefallen; der Vater ist ein sogenannter „Ueberseer“ d. h. der in Brasilien 2 Geschäftsniederlagen: Handel || mit fertigen Maschinen hat u. gut situirt ist. Er ist früher Jahre lang selbsta in Brasilien gewesen u. soll sich da ein hübsches Vermögen erworben haben.

Tante war recht frisch u. munter. Heute sollte ich zu Freund Richter’s Geburtstag (er wird 75 Jahr alt) in Mariendorf sein, habe natürlich absagen müssen.

Von Friedel u. aus Euskirchen gute Nachrichten.

Wirst Du nun ohne Rücksicht auf das deutsche oder italienische Wetter die Reise antreten?

Vergiß nicht, mir bald die Adresse zu schreiben.

Mit herzlichem Gruß an Frau u. Tochter und dem Wunsche glücklicher Reise

Dein

treuer Bruder

Karl.

Abends 8 Uhr: Georg glücklich zurück aus Sachsen u. auf 1 Stündchen hier, läßt grüßen. –

a eingef.: selbst

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
25.01.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35348
ID
35348