Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 12. März 1897

Potsdam

den 12 Maerz 1897.

Lieber Bruder!

Herzlichen Dank für Deine verschiedenen Reiseberichte. Ich habe den 2ten, den mir gestern Tante Bertha zurückgab, heute an Heinrich geschickt.

Derselbe hat tüchtig in Stettin zu thun und lebt sich allmählig auch in die (gegen Jena freilich minderwertige) Geselligkeit ein. Ist der Frühling erst da, der jetzt wieder zögernd kommt – ohne dicken Paletot kann ich noch nicht ausgehen, ohne mich zu erkälten –, so will ich ihn besuchen. Mir geht es leidlich; ganz ist das bischen Erkältung noch nicht weg.

Sorge macht mir hauptsächlich mein Ernst. Er war hier, um mir 360 Liter Wein (rothen 95er) abzuziehen, den ich übernommen u. der auch schmeckt. ||

Wir, d.h. Hahn’s, Georg und ich, haben bei dieser Gelegenheit mit ihm wegen seiner Zukunft conferirt. Er hat sich, – leichter, als wir dachten – überzeugt, daß bei seiner Eigenthümlichkeit mit der ganzen Gärtnerei überhaupt Nichts ist, und muß sehen, daß er sich auf andre Weise (durch Schreibarbeiten, oder in einer Stellung, wo er seine botanischen Kenntnisse verwerten kann) so viel verdient, daß er mit dem von mir u. seinen Geschwistern ihm zugesicherten Zuschuß sich u. die Familie ernähren kann.

Wir sind deshalb für ihn auf der Suche u. doch froh, daß er zu obiger Einsicht gelangt ist. ||

Georg hat sein Päckchen in seiner netten, aber kränklichen Frau. Traute ist nun 6 Wochen in Koenigsbrunn; es hat aber wenig geholfen. Er holt sie jetzt ab, und Ende des Monats will er mit ihr wieder in Berlin sein. Der Junge gedeiht, eben so wie die Euskircher und die 2 Züllichauer Enkel. Georg’s Fuß bessert sich.

Tante Bertha hält sich gut und raisonnirt über die Frauenfrage und Andres (K’s „Handlanger“ „Werkzeuge“a) wie ein Rohrsperling. siehe Anlageb.

Freut mich, daß es in San Remo gut geht.

Mein Siegfried ist seit 2t dieses Monats in Karlsruhe als Reserve-Unter Offizier zu einer achtwöchigen Uebung. ||

Ich sende diese Zeilen in der Hoffnung, daß sie Dich noch in M. treffen. Vergiß nicht, mir Deine weiteren Reisepläne mitzutheilen.

Mit herzlichen Grüßen

Dein treuer Bruder

Karl

a eingef.: „Werkzeuge“; b weiter am Rand v. S. 3: siehe Anlage

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
12.03.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35346
ID
35346