Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 22. September 1893

Potsdam 22 Sptbr 93

Lieber Bruder!

Vielen Dank für Deinen Geburtstagsgruß. Du hast mir durch Dein Geschenk diesmal eine ganz besondre Freude bereitet und die, wie Du weißt, mir in solchem Falle so leicht sich öffnenden Tränendrüsen in Thätigkeit gesetzt. Ich muß nächstens nach Leipzig (wegen meines Ernst’s Braut, die dort ist und der ich ihre Lage klar machen muß) und möchte dann einen lang versprochenen Besuch bei den Kindern in Cassel machen. Und doch habe ich jetzt alle Ursache, nicht durchaus nothwendige Ausgaben zu vermeiden. Aus diesem Skrupel hat mich Deine so reichliche Gabe gerissen. Ich denke vom 4-11 October die Reise nach Leipzig u. Cassel zu machen. Nachher kommen die Crossener Kinder zu mir auf einige Tage, in ihren Herbstferien; und vorher bin ich durch den Vierteljahresanfang und eine Jubelfeier für Prediger Ritter (der || jetzt 25 Jahre an unsrer Kirche amtirt) hier gefesselt. Ich werde dieser Tage bei Hans Meyer’s anfragen, ob ich ihnen auf 1-2 Tage gelegen komme. Traudchen, die 3 Wochen hier bei der Mutter war, während Georg in Butzbach zum Manöver wara, reist heute nach Cassel zurück, wo ich dann zu Georg’s Geburtstag (9. October) sein werde. Tante Bertha ist seit dem 16. September in Bonn bei Gustchen Post und denkt in der 2t Octoberwoche wieder in Berlin zu sein.

Nach alle dem möchte ich Dir vorschlagen, nicht vor Mitte Oktober nach Berlin mit Agnes zu kommen; es trifft sich dann auch netter, wenn Du zu Tante Berthas Geburtstag dort bist. Ich schreibe Dir noch, wann sie zurück sein wird in Berlin.

Von den Söhnen erhielt ich gute Nachrichten in ihren Glückwunschschreiben. Hermann ist viel außerhalb, nächstens || in Breslau zur Pomologen-Versammlung u.b Obstausstellung u. Mitte October in Berlin zu gleichem Zweck, wo er als Preisrichter fungiren soll. Zu ihm soll mein Ernst für die Wintermonate gehen, weil er in diesen in Engers nicht ausreichend beschäftigt ist. Julius ist wieder in Trier, Georg kehrt dieser Tage aus dem Manöver heim u. hat sich im Taunus gründlich umgesehen. – Wir haben hier jetzt theilweis ganz herrliche Herbsttage; ich war gestern mit Friedel, der ein tüchtiger Läufer ist, von Neu-Babelsberg aus über Stolpe, Wannsee und an der Pfaueninsel vorbei unterwegs. An meinem Geburtstag waren Hahn’s und Richter’s zu Mittag; wir konnten im Gartenhaus essen u. hatten den reichen Segen des Laubengangs vor uns. Doch sind bei mir die Trauben noch nicht sehr weit; sie fangen erst an, eßbar zu werden. –

Deinem Wunsche gemäß sende ich Dir || anbei 600 Mk. –, lege auch für Heinz ein Briefchen bei; er wird wohl am Sonntag bei Euch sein.

Hoffentlich ist der gestrige Actus zu Deiner Zufriedenheit ausgefallen.

Mit herzlichen Grüßen an Frau u. Tochter

Dein

alter

Karl.

NS Soeben Heinz Karte erhalten. Beruhige Du Dich nur bei der Entscheidung des Gerichtsc, damit die Sache zu Ende geht u. Du Ruhe bekommst. Ich würde Dir 200 Mk sogleich hinzulegen, wenn nicht erst die Rechtskraft des Urtheils abzuwarten wäre, die erst am 30/9 eintreten kann.

d. O.

a gestr.: ist; eingef.: war; b eingef.: Pomologen-Versammlung u., c mit Einfügungszeichen eingef.: des Gerichts

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
22.09.1893
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35325
ID
35325