Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 27. Februar 1895

Potsdam 27 Februar

1895.

Liebster Bruder!

Obwohl ich Deinen letzten Brief – (den mit der Sendung der Zeitungsausschnitte u. mit dem an Tante Bertha kam er zusammen) augenblicklich nicht finden kann, so a entsinne ich mich doch, daß ich Dir Geld senden sollte: 1000-1200 Mk. Ich packe daher 1200 M. bei, mit der Bitte, mir den Empfang zu bekennen.

Ich habe seit 8 Tagen allerhand in Geldangelegenheiten zu thun gehabt; weil die Northern Pacific’s, b in Folge weniger günstiger Nachrichten aus Amerika, wieder heruntergegangen, so habe ich von meinen u. Deinen Papieren sowie das der Kinder verkauft, von Dir die einzige IIIr Bond zum Course von 49,50 % u. 2 II Bonds zum Course von 80,40 %. Du besitzest nun noch 5 Bonds II Mortage, die ich, – wenn Du nicht anders anordnest, nach bestem Wissen zu gelegener Zeit verkaufen werde. Ich hatte mich vorher in Berlin bei Sachverständigen erkundigt. Sie riethen, einen Theil zu verkaufen aber nicht die ganze Post. – Die 4 Oregon, die Du || hast, rieth man mir, jetzt nicht zu verkaufen.

Inzwischen habe ich an Budie das von Dir ihm bereits bewilligte Hypotheken-Kapital von 5400 Mk, dessen Cession viele Umstände gemacht hat (verwickelte Verhältnisse) das aber an erster Stelle, zu 4 % auf einem hiesigen Hause steht, am 1st u. 26st Februar gezahlt. Auch ist Dir zum 1 October vorigen Jahres das größeste Hyptheken Kapital, von 36.000 Mk von Bunicke in Berlin gekündigt, weil er, wie es scheint, den Betrag von seinem Schwiegervater bekommt. Da werde ich mich auch wieder nach passender Unterbringung – Erwerb von Hypotheken, umsehen müssen; diese haben immer noch den Vortheil, daß sie dem Course der Papiere nicht unterworfen sind, während man jetzt 3½ %tige und 3 %tige theuer kauft und der Zinsfuß in einigen Jahren doch vielleicht wieder heraufgeht. –

Nun zur Familie! ||

Von den Kindern aus Radewitsch habe ich die Nachricht, daß sie glücklich angekommen sind. Es war mir recht erfreulich, sie am 16t bis 18t hierzuhaben. Wir haben mit ihnen auf Deine und Heinz’s Gesundheit an Euren Geburtstagen getrunken. Die Toni hat sowohl auf Hahn’s die am 17t hier waren, wie auf Tante Bertha, bei der sie mit mir am 18t zu Mittag waren, einen guten Eindruck gemacht. Es ist eine gebildete Frau, aus einem gut gesitteten Familienkreise und zu hoffen, daß Ernst jedenfalls eine viel bessre Wahl getroffen hat als Hermann mit dieser Person, die alsc eine durchaus falsche, berechente u. intrigante sich entpuppt u. den zu weichen Hermann, der mir sonst immer ein braver und guter Sohn gewesen ist, ganz in ihre Netze verstrickt hat. Ich hoffe, es wird ihm das || mit der Zeit klar werden u. ich mit ihm wenigstens auf einen modus vivendi zurückkommen, wenn auch ein rechtes Vertrauensverhältniß sich wohl nie wieder, während der Dauer dieser Ehe, mit ihm herstellen lassen wird. Ihn und die Kinder bedaure ich.

– Ueber die Hochzeit von Ernst und Toni lege ich Georg’s Bericht bei, den ich, sobald Heinz ihn gelesen, an Julius weiter zu senden bitte.

Tante Bertha ist wieder recht munter. Ich war am Sonntag zu einem – ziemlich stillen – Familienessen bei ihr. Ist man mit ihr allein, so hat man von ihr viel mehr. – In dieser Woche hoffe ich noch herüberzukommen um Hermann‘s Papiere bei der ritterschaftlichen Privatbank von Provinz Brandenburg niederzulegen, bei der auch Ernst die seinigen deponirt hat, diese beiden Veranstaltungen habe ich ganz abgegeben.

Nun, liebes Bruderherz, herzlichen Gruß. Die übersandten Zeitungsausschnitte lege ich bei. Komisch, die Frauen, die Deine Herzensergießungen in der „Zukunft“ gelesen haben, sind mit der Fassung derselben vielmehr einverstanden als die Männer.

Dein alter

Bruder Karl

d Sehr amüsirt hat mich der Brief Deines Walter; eine richtige Künstler-Auffassung des Lebens und der Politik! –

e Von Herrn Schwuchow-Leipzig, dem Schwager der Toni, habe ich einen recht gehaltenen, verständigen Brief erhalten. Bin nun begierig, wie sich die „Schwiegermama“ machen wird. Sie soll eine selbstlose Frau sein.

f Habe dieser Tage auch viel mit Mission zu thun gehabt (siehe Anlage) als Vorbereitung zum 3 Maerz.

a gestr.: ich; b gestr.: wieder; c eingef.: als; d weiter am Rand v. S. 4: Sehr amüsirt hat…und der Politik! –; e weiter am Rand v. S. 3: Von Herrn Schwuchow-Leipzig…selbstlose Frau sein.; f weiter am Rand v. S. 1: Habe dieser Tage…zum 3 Maerz.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
27.02.1895
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35307
ID
35307