(Diktat)
Potsdam 26. 7. 95.
Lieber Bruder!
Aus einem heute von Heinrich erhaltenen Briefe habe ich ersehen, daß Du einmal wieder kurz vor der Ferienzeit einen Unfall gehabt hast, der die schönen Reisepläne, die Du im Frühjahr hattest zerstört.
Du hast, wie Du schon an der Schrift vermuthen wirst, an mir, wenn auch nur schwachen Leidensgefährten. Ich bekam am Montag kurz nachdem Schreiberin Dieses mit einer Rückfahrkarte nach Oeynhausen gefahren war, um ihren alten Vater zu besuchen, eine dicke Nase, lief aber den Tag über noch umher und wandte mich am anderen Tage an Dr. Masius, da mir die Sache doch bedenklich wurde; er konstatirte Gesichtsrose und steckte mich in’s Bett. Ich befinde mich sonst leidlich, habe nur viel Langeweile, da ich nur ganz wenig lesen, oder schreiben soll. Die Krankheit, die ich übrigens schon || vor zehn Jahren gehabt habe, hatte bis jetzt einen normalen Verlauf, und ist über die Backenknochen und Ohren nach dem nach dem Genick fortgeschritten. – Die Nase hat beinah ihre natürliche Gestalt. Schmerzen habe ich wenig. Verschiedene theilnehmende Besuche konnte ich annehmen, aber jede geistige Anstrengung greift mich an. Fräulein Kniebe ist gestern Abend zurückgekehrt, da ich mit den Mädchen allein war und pflegt in ihrer bekannten Sorgfalt mich (sie will das zwar nicht schreiben, muß aber!)
Ich bin nur froh, daß Georg und Julius erst im August kommen, und nicht schon hier sind. –
Dir, lieber Bruder, wünsche ich ein gutes Theil Geduld in Deinem Leiden, die eine so vielthätige Seele wie Du doppelt braucht.
Mit herzlichem Gruß an die Deinigen
Dein
treuer Bruder
C. Haeckel
Mit freundlichem Gruß wünscht baldige Besserung
P. Kniebe