Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 5. Februar 1895

Potsdam

den 5 Februar 1895.

Lieber Bruder!

Durch Deinen heut mir zugesandten Aufsatz in No 18 der „Zukunft“ hast Du, fürchte ich, Dir wieder schwere Unannehmlichkeiten zugezogen. Du kannst es nicht lassen, Gedrucktes in die Welt hinaus zu senden in der Form, in welcher man in seinen vier Wänden zu Freunden und alten Bekannten seinen Unmuth über die Zeitverhältnisse ausläßt; ich fürchte, daß, wenn die Staatsanwaltschaft die Sache in die Hand nimmt, Du nicht so glimpflich wirst fortkommen, wie in dem Hamann’schen Falle. Für gewisse Vergehen giebt es nur Gefängniß oder Festungshaft! Du hast sicherlich nicht vor der Veröffentlichung einen Rechtsverständigen zu Rathe gezogen. ||

– Doch genug davon; vielleicht sehe ich zu schwarz und man hält es an maßgebender Stelle für gerathen, die Sache laufen zu lassen. –

Ich habe fast 14 Tage eingesessen wegen Schnupfen und Katarrh, bin erst seit gestern wieder ausgegangen.

Am Sonnabend war Frl. Kniebe’s Geburtstag, den wir zugleich mit dem des kleinen Franz in Euskirchen voragestern mit Hahn’s hier gefeiert haben.

Mein Ernst will den 13t dieses Monats Hochzeit machen. Ueber ihn habe ich an die andern Söhne in einem Rundbrief, den dieser Tage Heinz erhält, geschrieben. Bei der Lage, in die er sich durch Ankauf des Weinbergs versetzt hat, finde ich es begreiflich, daß er nun auch den weiteren Schritt thut und sich einen geordneten Haushalt schafft. Mein Urtheil über die Braut und deren Familie hat sich durch Rücksprache mit Ritter’s || Bruder den Inspektor in Engers und dessen Frau (die mit der Familie Hug seit lange befreundet sind) wesentlich gemildert.

Hermann hat sich bisher noch nicht besonnen. Ich denke, er wird mit der Zeit in sich gehen.

Hoffentlich geht es Deiner Agnes wieder besser. Sie hat sich wohl auf der Taufreise eine Erkältung geholt? – Den Roman von Polenz möchte ich selbst noch lesen. Tante Bertha und Marie haben ihn mit vielem Interesse gelesen, da er, wie sie meinen, einen ganz ähnlichen psychologischen Verlauf in dem Helden des Romans schildert, wie er bei Heinrich Lisco stattgefunden hat.

Mit herzlichen Grüßen

Dein treuer Bruder

Karl.

a eingef.: vor

Brief Metadaten

ID
35298
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
05.02.1895
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35298
Zitiervorlage
Haeckel, Karl an Haeckel, Ernst; Potsdam; 05.02.1895; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35298