Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 31. Juli 1892

Potsdam 31 Juli 1892

Lieber Bruder!

Du wirst nun, wenn Du diese Zeilen erhältst, die beiden Festtage, hoffentlich glücklich, überstanden haben. Ich habe dabei Deiner und des Festes viel gedacht, namentlich, wenn die Stunden immer heißer wurden und die Wetterprophezeiung mit Gewitterbildung drohte. Bei uns ist es bisher glatt geblieben, gestern tüchtig heiß, aber ein schöner Abend zum Anzünden von Höhenfeuern, heut bedeckter Himmel und um einige Grade gelinder. Ich brenne darauf in Berlin’s Zeitungen von dem Ausfall des Bismarck-Besuchs zu lesen. Gedruckt wird es doch noch besonders. Bitte, schicke mir doch von dem Besuch in Kissingen und von Eurem Jenenser Fest besondere Abdrucke für Poesche in Washington; es interessirt ihn gewiß ganz besonders.

Ich habe in diesen Tagen die Prosaarbeit || der Jahresabrechnung endlich zu Stande gebracht u. bin damit aus den Restarbeiten heraus. Die Vermögensübersicht verglichen mit der von 1890 wird Dich beruhigen; das Minus gegen damals erreicht lange nicht den Betrag, den Du auf die Ausstattung von Lisbeth verwendet hast.

Aus dem verbliebenen Bestand sind die 3000 M für Prof. Semon am 22st circa entrichtet. Ich habe die beiliegende Quittung darüber so ausstellen lassen, wie Du sie vermuthlich für die Ritter-Stiftungs-Rechnung brauchst.

Du wirst Dich nun wohl mit Frau und Tochter bald in die Alpen verziehen. Dahin Euch zum 20 August nachreisen, das verbietet leider mein Befinden, wiewohl sich dasselbe doch allmählich bessert. (Die warmen Tage thun mir wohl). Aber wissenmuß ich doch, wo Ihr dann weilt. Wenn Du Deine Collegia geschlossen hast, schreibst Du doch auch über gestern und heute! – ||

Hier sitzen wir noch zu dritt zusammen. Mit Ernst hat sich’s auch so gebessert, daß ich ihn in einigen Wochen entlassen zu können hoffe. Erst muß aber eine passende Stellung (mit väterlich-theilnehmender Aufsicht u. Leitung) zu finden sein. Ich bin deshalb in Correspondenz.

Julius schwelgt noch in Ost- und West-Preussischer Landschaft u. Kunstdenkmälern. Er will morgen von Warnicken nach Schwarzort und in 8 Tagen wieder in Danzig sein.

Friedel hat die halben Ferien in Lichterfelde, theilweis auch in Berlin zugebracht u. ist seit vorgestern nach Staßfurt zu Borsche’s. Den 9t August fängt seine Schule wieder an.

Georg sitzt an seiner zweiten Examenarbeit und geht nachher mit ins Manöver des Badischen Corps.

Hermann hat tüchtig in seiner Schule zu thun; es thut mir Leid, daß ich ihn nicht noch im Sommer besuchen kann. Aber so weit bin ich noch nicht; ich mag durch solchen || Ausflug die fortdauernde Genesung nicht unterbrechen.

Ueber Politica schweige ich; Du hast jetzt gewiß ganz darin gesteckt. Ich möchte Dich aber auf einige Artikel der National Zeitung über die „Wasserpolen“ und gegen die katholisch polnischen Bestrebungen aufmerksam machen.

Nun gehe ich wieder an Treitschke Bd. 3, der mich oft an Vater’s Mittheilungen über die 20er Jahre erinnert.

Mit viel Grüßen an die Deinen

Dein Alter, innerlich aber noch frischer Bruder

Karl.

(der sich hüten wird durch ein städtisches Amt sich eine Gallenkrankheit anzuärgern!)

Der Zeitungsausschnitt ist für meinen Heinz! –, die Couverts zu Deiner Benutzung.

Brief Metadaten

ID
35291
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
31.07.1892
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35291
Zitiervorlage
Haeckel, Karl; Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 31.07.1892; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_35291