Potsdam 30. Januar | 1892
Lieber Bruder!
Deine Zeilen über Berlin erhalten. Freut mich, daß es mit Hans Meyer auf der Besserung ist. Seine Krankheit hatte ich durch die Zeitung erfahren. Was Du sonst schreibst, entspricht dem, was ich auch denke. Nur möchte ich Dir doch rathen, lieber mit Abkürzungen zu schreiben z. B. das Epiteton durch d. Gr. Auszudrücken, das kann man auch „dei Gratia“ oder „der Große“ u. wer weiß was sonst herauslesen. Durch einen Zufall könnten doch mal solche Zeilen in unrechte Hände gerathen! –
– Die neuesten Debatten hätte ich doch in dieser Weise nicht erwartet. Die Herrn Caprivi und v. Zedlitz gehen doch arg ins Zeug; es ist mir unbegreiflich, daß sie u. die Conservativen nicht einsehen, daß ein solches Gesetz das Volk resp. die Regierung ganz den Händen der katholischen Clerisei ausliefert. ||
Sollte da nicht endlich das protestantische Bewußtsein in unsrer Bevölkerung aufwachen? –
Vorigen Montag war ich zu Richter’s 70st. Geburts Tag in Mariendorf. Nura Hosebach’s, Pfleiderer’s, Tante Bertha und Familie waren dort. Er war recht frisch u. munter u. war von Lehrern, der Gemeinde (die schöne Geschenke gebracht) u. von Freunden zahlreich beglückwünscht worden.
Du sprichst von Geldsendung, wenn ich Zinsen einnähme. Solche sind nun jetzt gar nicht zu erwarten. Auch bin ich ohnehin schon bei Dir in Vorschuß, kann aber, da ich Geld zum Anlegen liegen habe, Dir sofort ca. 1500 b Mk schicken. Ist Dir damit gedient?
Vor 20. März circa habe ich für Dich keine Einnahmen.
Mit Gruß u. Wunsch guter Nachrichten aus Italien
Dein treuer Bruder
Karl.
c Gruß an Heinz! –
a eingef.: Nur; b gestr.: – 200; c weiter am Rand v. S. 2: Gruß an Heinz! –