Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 24. Februar 1891

Potsdam 24 Fbr. 1891

Lieber Bruder!

Mit innigster Theilnahme und einigem Schreck vernahm ich die Nachricht von Agnes’ Operation. Hoffentlich geht die Heilung der Wunde und Genesung in gewünschter Weise vor sich. Wer hätte das gedacht? Ist es nicht ein ähnlicher Fall wie bei unserm Vater? Nur mit dem Unterschied, dass man sich wohl vor 50 Jahren noch nicht getraute, eine Operation zur Herausnahme des Steins vorzunehmen? – Doch dem sei, wie ihm wolle; gut daß das Ungetüm heraus ist. Agne’s gute Natur wird ihr wohl durch helfen.

Hier hat meines Direktors Frau eine ähnliche Operation (aber wohl an der Blase) durchgemacht. Sie mußte dann fast 3 Wochen liegen, || und zwar auf Einem Fleck, ohne sich rühren zu dürfen, überstand Heilung der Wunde u. schmerzvolle Blasenkrämpfe, hat nun aber hinterher, noch nicht völlig Genesen eine Ribbenfellentzündung bekommen u. erregt bei ihrem hohen Schwächezustand Besorgniß. Sie liegt bei Martin in Berlin –

Was Du mir weiter von Deinem Schwiegersohn in spe schreibst, freut mich recht. Er hat also doch eine bestimmte Berufsthätigkeit, ist nicht der reine Zinsenverzehrer, wie ich erst annahm, und – geht nicht wieder unter die Wilden! Die „Weltreise“ habe ich bereits und zuerst – den gemüthvollen Schluß, die Heimkehr gelesen. Du weißt doch, daß Du auch, auf seinem Ceylon-Besuch, vorkommst? – Dank für dieses Geschenk! – ||

Aber wie ist es mit den Moneten? Soll ich etwa bald Geld mobil machen? Auch von wegen der 500 M Schulden? u. überläßt Du mir, was ich verkaufe? Ich würde wohl 3½ oder 4 % Consols nehmen. –

Bitte um Antwort. Kommenden Sonntag sind Hahn’s und das Brautpaar Korn hier, (vielleicht auch Tante Bertha), dessen bessre Hälfte (Frl. Stobbe)a die zur Besichtigung nach Leipzig gesandte Braut bereits dort in einer großen Gesellschaft gesehen hat.

Schwurgericht habe ich überstanden, laborire jetzt an einigen Vereinsversammlungen; kann Dir sagen, || das mir der politische Himmel nicht voller Geigen hängt, von wegen der vielen Reden an höchster Stelle! –

Vielleicht willst Du ein Loos zum Besten der Japanischen Mission haben? –á 1 Mk – sehr zu empfehlen für die Ausstattung Deiner Tochter; denn es werden in Japan geklöppelte Spitzen verloost? Das ist was für einen Brautvater.

Mit Gruß

Dein

treuer Bruder

C. Haeckel

b Stoße mal Heinz an, daß er mir schreibt. Kommt er nicht für Riedel zu Euch? oder ist Agnes im Krankenhause? –

c In Voriger Woche Schwurgericht glücklich überstanden; die Freude gehabt, an einem Tage, wo ich vorsaß, 3 Hallunken zu zusammen 4 Jahr Zuchthaus zu verhelfen, während unter Vorsitz des Kollegen, an allen 5 andern Tagen nur Freisprechungen erfolgten.

a mit Einfügungszeichen eingef.: Frl. Stobbe; b weiter am Rand v. S. 4: Stoße mal Heinz…Agnes im Krankenhause? –; c weiter am Rand v. S. 1: In Voriger Woche…nur Freisprechungen erfolgten.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
24.02.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35265
ID
35265