Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 10. Mai 1890

Potsdam 10 Mai 1890.

Lieber Bruder!

Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 3t. dieses Monats, durch den Du Dich wieder in die Heimath zurückgekehrt meldest. Nun wirst Du wohl schon wieder ganz im alten, gewohnten Geleise sein u. von den Strapazen der Reise Dich erholt haben.

Daß Agnes ordentlich krank gewesen, erfahre ich erst durch Deinen Brief und bedaure es herzlich. Hoffentlich thut ihr das jetzt eingetretene warme Wetter gut. Hier ist jetzt alles in köstlichem Frühjahrsschmuck u. eine wahre Lust, durch das frische Grün in Sans-souci oder dem Wildpark zu gehen.

Mit der Gesundheit geht es in meinem Hause nur mäßig. Ich habe mich bei dem Brunnentrinken, welches ich neben der Gartenarbeit that, erkältet und || quäle mich, ebenso wie Friedel mit einem häßlichen Katarrh. Mein Ernst ist seit Mittwoch hier, weil er an einem durch scharfe Erkältung sich geholten chronischen Darmkatarrh leidet. Era ist zugleich in recht gedrückter Stimmung, hat mal wieder eine schlechte Periode u. ich habe Noth, ihn in der günstigen Stellung bei dem Landschaftsgärtner Haack-Berlin zu halten.

So giebt es immer wieder Sorgen. Bei Hahn’s geht es gut. Ich fahre jetzt öfters bei ihnen herum, wenn ich nach oder von Berlin komme. Sie sind recht nett eingerichtet u. das Hähnchenvolk munter.

Mit meiner Wirthschaftsdame bin ich zufrieden; sie hat viele recht gute Eigenschaften u. hält || mir das Haus gut in Ordnung. Daß ich aber Marie doch recht oft vermisse, kannst Du Dir wohl denken. Das kann ja nicht anders sein.

Doch nun zur Hauptsache: Seid Ihr zu Pfingsten zu Hause u. komme ich Dir vom Sonnabend bis Dienstag in der Festzeit gelegen? Später im Sommer werde ich kaum können. In den Ferien gehe ich nach Langeoog u. denke Julius mitzunehmen, dem eine Seeluft- und Badekur gut thun soll. Ich selbst werde wohl nicht baden. Bitte um baldige kurze Antwort auf meine Anfrage, auch ob Heinz dann in Jena sein wird.

Hier ist alles jetzt vom Lutherspiel in Anspruch genommen, das in der Jenaer Weise zu Stande gekommen ist: Devrient Mitspieler und Leiter, und auch Frl. Kahlmann als Kaethe. Die Nonnen werden von lauter hochadelichen Damen || gegeben. Montag zur 4t Vorstellungb kommen Hahn’s dazu herüber u. ich gehe mit ihnen in die Aufführung. Richter’s wollten auch kommen, lassen es aber nach einer gestrigen Post Karte ungewiß, da ihr Sohn Paul in Jena krank ist, er hat eine Lungenentzündung gehabt u. in dem Krankenhause gelegen. Erkundige Dich doch mal nach ihm.

Nun zum Schluß: ich habe zwischen manchen Familiengeschichten ziemlich zu thun: mehr als früher. Ich warte, daß Heinz fort ist.

Ade, viele Grüße von Haus zu Haus von

Deinem treuen

Bruder

NB Tante Bertha ist wohl, neulich war bei ihr Familien Diner.

Den Rüffel an den Packer werde ich besorgen; auch nach Steglitz hat er nicht sonderlich vorsichtig gepackt! –

Frl. Kniebe eben gesprochen; sie ist ganz eingenommen von der wahrhaft künstlerischen Aufführung des Lutherfestspiels, das sie gestern zum 2t Mal gesehen.

c Entschuldige die Spuren einer kleinen Selterswasser-Explosion!

a irrtüml.: Es, b eingef.: zur 4t Vorstellung; c weiter am Rand v. S. 4: Entschuldige die Spuren einer kleinen Selterswasser-Explosion!

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
10.05.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35254
ID
35254