Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 23. September 1890

1.)

Potsdam 23 Sept. 90.

Lieber Bruder!

Für Deine Zeilen vom 17 September mit Glückwunsch zum 20st. besten Dank, sie trafen richtig ein mit vielen andern schriftlichen Glückwünschen. Das war mir das liebste Geschenk neben der persönlichen Anwesenheit von den meinigen aus Steglitz u. lieben Verwandten u. Bekannten; wir waren 19 Personen zu Tische u. dazu ein herrlicher Sommertag, so warm u. angenehm, wie wir kaum einen im Hochsommer gehabt haben. (Gestern eher zu warm, 19° im Schatten) Nachmittags trank die ganze Gesellschaft (Schwager Heinrich Sethe mit Tochter, Frau Lisco mit Tochter, Richter mit Frau, Frieda Herms, Lisbeth Zehrmann u. Julius) im Garten Kaffee, u. Krokett wurde gespielt.

Nun bin ich wieder ins alte Joch gespannt, aber doch recht erfrischt durch den Aufenthalt auf Langeoog (den ich Dir übrigens vor der Abreise angezeigt hatte). Nach 3½ Wochen Seeluftschnappens (baden sollte ich nicht) habe ich mich 3 Tage in Bremen zur Ausstellung aufgehalten. Ich kann Dir nicht genug empfehlen, auf dem Rückwege den Abstecher nach Bremen, von Osnabrück aus, || zu machen. Du fährst diese Tour in 2 Stunden u. hast durch den Umweg nur diese Strecke mehr. Von Bremen nach Berlin fährst Du (über Hannover) in 7 Stunden. Ich fuhr Mittag 1 Uhr von Bremen war 8 Uhr Abends in Berlin. –

Die Handelsausstellung allein ist diesen Abstecher werth. Sie ist mit vielem Geschick arrangirt u. gewährt (außer hübschen Wandgemälden zur Dekoration) einen trefflichen Einblick in die Entwicklung der Hauptrohprodukte, die Bremen einführt, von der ersten Gewinnung bis zum Versandt, so namentlich von Tabak, Baumwolle, Indigo, Jute, Ramié, Petroleum, Kork u. s. w. Ich habe 2 Vor- und Nachmittage fast ausschließlich darin zugebracht, u. sehr viel Belehrung darin gefunden. – Außerdem wird Dich die Marineausstellung u.a. interessiren. Du bist von Oscar Focke u. einem 2t Würzburger Freund (den ich nicht kenne) schmerzlich zur Naturforscher Versammlung vermißt worden u. sie würden sich sehr freuen, Dich nachträglich dort zu haben. Focke traf ich leider nicht (ich war 11-13t September dort) er war grad verreist; aber seine Frau, die sehr nett, u. mich sehr freundlich aufnahm. Sie wohnen ||

2.)

jetzt in der Vorstadt, am steinernen Kreuz am steinernen Kreuz 2a; a könnten Dich beherbergen, doch scheint der andre Freund vor Dir noch näheres Anrecht darauf zu haben, hatte Dich ja wohl zur Natur Forscher Versammlung eingeladen. Kommst Du bei keinem an, so logire Chambre garni, bei Hoppe, Dechantstr. 15., hinter der Post in der Mitte der alten Stadt (pro Person 3 M. pro Tag, Kaffee mit Gebäck 1 M.). Wenn Du auch nur einen Tag da sein kannst, besser 2, so hast du doch viel davon –

Die Sendung der 600 Mk soll morgen nach Bonn abgehen; ich adressire an Pastor Hermann Bleek, Beethovenstraße 20., da Du nach Tante Bertha’s Brief dort logiren sollst. Clason ist leider nicht unerheblich (erst an Karfunkel, jetzt an Lymphdrüsen-Entzündung am Hinterkopf) erkrankt. ||

Dichb erwarte ich also den 10. October (oder etwas später, wenn Du nach Bremen gehst) mit Lisbeth. Ich habe vollen Platz für Euch zum Logiren u. wünsche nur das[!] das herrliche Wetter noch einige Wochen sich hält. Der Herbst holt nach, was der Sommer versäumt hat.

Von den Kindern gute Nachricht mündlich von allem mehr. Grüße mir recht herzlich die Bremer und Mulder’s.

Dein treuer Bruder

Karl

a gestr.: doch; b irrtüml.: Die

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
23.09.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35251
ID
35251